(Text ist von 2009, Anmerkung der SaZ Jahre später: Die Bundeswehr ist mittlerweile abgeschafft… Oh, nein, leider nicht. Nur die Wehrpflicht 🙁 Aber viele überlegen schon wieder, die als allgemeine Dienstpflicht einzuführen, bis dahin das untere als Dokumentation, auch die Links in der Ausgabe funktionieren natürlich nicht mehr)
Du kannst die Wehrpflicht totalverweigern. Das heißt, Du beantwortest zum Beispiel den Musterungsbescheid nicht, lässt Dich gegebenenfalls von der Bundeswehr abholen und verweigerst vor Ort alle Befehle. Das ist konsequent, aber stressig, da ein Straftatbestand und sollte nicht von Dir allein gestemmt werden, sondern mit Unterstützung von Freund_innen undLeuten, die sich gut damit auskennen.
Für diejenigen unter euch, die sich nicht für die Totalverweigerung entscheiden, sondern auf Ausmusterung oder ein möglichst lockeres Zivi-Jahr setzen, ein wichtiger Merksatz vorneweg: Gemächlichkeit siegt! Letztendlich musst Du einen Kriegsdienstverweigerungsantrag nur stellen und Deinen Zivildienst nur dann absolvieren, wenn Du tatsächlich einberufen wirst. (Im „Kriegsfall“ gelten andere Regeln und Bestimmungen.) Zur Zeit werden nur rund die Hälfte der tauglich Gemusterten wirklich auch eingezogen. Also: Warte erstmal ab, ob sie dich auch wirklich wollen. Du musst dich ja nicht vordrängeln und laut „hier!“ rufen. Vielleicht interessieren sie sich gar nicht für Dich? Abwarten und Tee trinken.
1.Die Musterung
Irgendwann um Deinen 17. Geburtstag, wirst du Post von der Bundeswehr bekommen. Sie wollen wissen, was Du machst und wahrscheinlich, ob Du schon morgen für sie Zeit hast? Nein, hast Du nicht. Solange es geht, schickst Du ihnen Belege dafür, dass Du Dich noch in deiner ersten Ausbildungsphase (Abitur oder Lehre) befindest. Auch danach gibt es noch Gründe, die Du geltend machen kannst. Irgendwann kommst Du aber an der Musterung nicht mehr vorbei.
Wenn es soweit ist, wirst Du gefragt werden, ob Du einen Kriegsdienstverweigerungsantrag stellen möchtest. DIESE FRAGE VERNEINST DU!
Lass Dich von denen nicht bequatschen, sondern bleib‘ dabei. Denn: Diesen Antrag kannst Du jederzeit bis zum Zeitpunkt der Einberufung stellen. Wenn Du einen solchen Antrag gestellt hast, führt aber kein Weg mehr am Zivildienst vorbei. Sobald Du denen klar machst, dass Du nicht zum Bund willst, aber Zivildienst leisten würdest, wirst Du in der Regel sogar als „gut tauglich“ gemustert werden, damit Du wenigstens das Zivi-Jahr machen musst.
Auf das Eingangsprozedere folgen eine Menge allgemeine Untersuchungen und köperliche Tests. Wenn Du nicht zum Bund willst, solltest Du Dir bei diesen Tests einfach nicht allzu viel Mühe geben. Nutz‘ die Zeit, um mal so richtig schön faul zu sein. Lass Dir alles zweimal sagen, überanstreng‘ Dich bloß nicht bei den Liegestützen und gib auf gar keinen Fall an, dass Du im Falle einer Einberufung auch Auslandseinsätze machen würdest.
Mach‘ Dir dabei klar: Du willst nicht „tauglich“ gemustert werden. Überleg‘ Dir, dass die Gründe, die Du gegen deine Tauglichkeit anführen wirst, auch glaubwürdig sein müssen. Also: Wenn Du Dich ganz normal mit Tante Doktor unterhalten kannst, beim Hörtest aber gar nichts hörst, stimmt was nicht. Mit eingeschränktem Hör -und Sehvermögen bist Du auf jeden Fall schon mal nicht auf der besten Tauglichkeitsstufe (T1).
Wir raten eher davon ab, sturzbetrunken zur Musterung zu gehen. Das Gleiche gilt, wenn andere Drogentests sehr positiv ausfallen. Im Zweifelsfall wirst Du als „zur Zeit untauglich“ (T4) eingestuft und musst nach einer Rückstellung nochmal hin. Höchst unangenehm. Ebenso, wenn Du nächtelang nicht schläfst und mit einer Kanne Kaffee im Bauch gemustert wirst. Klar schränkt das Deine körperlichen Fähigkeiten ein (in diesem Fall ja in Deinem Sinne), aber Herzrasen und andere Gebrechen werden jungen, gesunden Menschen eigentlich nicht ohne Nachprüfung attestiert und im Zweifelsfall entlarvst Du Dich als Simulant. Ähnlich ist es, wenn Du auf Deine psychische Instabilität setzt. Wenn Du glaubhaft machen kannst, dass Du Aggressionsprobleme hast oder zum Beispiel regelmäßig Drogen konsumierst, bist du in Augen der Bundeswehr nicht gerade ein perfekter Soldat. Aber auch das kann zu einer Rückstellung der Musterung führen, wenn‘s blöd läuft. Und wenn‘s richtig blöd läuft, wirst Du wegen Verstoß gegen das BtmG angezeigt oder Deine (vermeintlichen) Psychosen auf Deine eigenen Kosten therapiert, damit Du auf Deine Wehrpflicht nicht „verzichten“ musst. Überleg‘ Dir einfach, was Dich gleichzeitig glaubwürdig und vollkommen ungeeignet für den Dienst an der Waffe erscheinen lässt. Informiere Dich also vorher.
Weitere eher zweifelhafte Methoden, von denen wir gehört haben (von denen wir aber eher abraten):
-Eine Stuhl- statt einer Urinprobe abgeben.
-Mit Edding „Deutschland verrecke!“ auf die Brust schreiben. Spätestens nach dem „bitte mal freimachen!“ wollen sie Dich loswerden.
-Sich wahnsinnig trottelig anstellen und alles umschmeißen. Nach Afghanistan kommst Du so wahrscheinlich eher nicht.
-Bei der Urinprobe den Finger anritzen und einen Tropfen Blut mit reingeben
-Vorher Heiraten.
Denk‘ dran, dass Behörden untereinander gerne mal Akten austauschen. Wenn Du also nicht zum Bund willst, aber eine Karriere als hoher Staatsbeamter anstrebst, sind Alkoholismus- und Drogengeschichten in Deinen Musterungsakten nicht gerade förderlich. In einer früheren Version des Textes hatten wir geschrieben, dass die Musterungsakten nach einer bestimmten Zeit eingesehen und gelöscht werden können. Das stimmt so leider nicht ganz. Wir haben nochmal ein wenig recherchiert und haben nun folgende Informationen: Gelöscht wird eure Akte von alleine wenn ihr ‚ungedient‘ geblieben seid und nach 5 Jahren bei T5 (gilt alles übrigens auch für Frauen). Ansonsten wird normalerweise mit 65, bzw. 70 Jahren die Akte gelöscht. Die Akten selbst liegen beim Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben – man kann dort mit Begründung einen Antrag auf Löschung stellen, dem wird aber wohl gemeinhin nicht stattgegeben, außer man möchte Priester o.Ä. werden. Die Infos, die wir bekommen haben, haben wir vom Karrierecenter der Bundeswehr. Also wenn ihr weitere Fragen habt wendet euch am besten direkt an die oder die Musterungsstelle bei der ihr damals vorstellig werden musstet.
2.Nach der Musterung
Leg die Beine hoch und entspann‘ Dich. Du hast es dir verdient. Mach deinen Kriegsdienstverweigerungsantrag fertig. Er besteht aus einem Anschreiben mit Deinen persönlichen Daten, Datum, Unterschrift und folgendem Satz: „Hiermit verweigere ich den Kriegsdienst mit der Waffe unter Berufung auf Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes.“
Zum Antragsschreiben kommen ein Lebenslauf und eine Gewissensbegründung. Die sollte schon authentisch sein und von Dir kommen, deswegen liefern wir hier keinen Vordruck. Du musst halt sagen, wieso Du aus ethischen Gründen den Dienst an der Waffe verweigerst, das heißt, wieso Du niemals eine Waffe auf Andere richten könntest. Gute Argumente: Die christlich- ethische Sozialisierung, die Du in dieser Gesellschaft erfahren hast (ob Du nun getauft bist oder nicht). Du kannst den Dienst an der Waffe nicht mit deinem Gewissen vereinbaren. Und im Ernstfall würdest Du Deine Kameraden gefährden, weil Du ja Deine Waffe nicht einsetzen kannst. Auch hierzu gibt es viele schlaue Überlegungen im Internet.
Wenn Du nicht unbedingt Zivildienst machen willst, sondern ein Jahr gewinnen möchtest, schick‘ den Antrag noch nicht ab! Wenn du Glück hast, gehörst du zu jener Hälfte der tauglich Gemusterten, die trotzdem nicht eingezogen werden. Also abwarten. Sobald du den Einberufungsbescheid bekommst, solltest Du den Antrag aber abschicken. Wenn Du Dich nicht total doof angestellt hast, sollte er angenommen werden, dann kannst Du Dich nach einer geeigneten Zivistelle umsehen.
Der Einberufungsbescheid wird als Einschreiben zugestellt, das heißt, er ist drei Tage nach Versand gültig. Also: Montag hat ihn die Bundeswehr Dir geschickt, Dienstag ist er da. Er gilt aber erst ab Donnerstag 24.00 Uhr als zugestellt. Wenn Du also bis Donnerstag Deinen Kriegsdienstverweigerungsantrag zugestellt hast, hast Du ihn offiziell vor der Einberufung gestellt und bist fein raus – der Einberufungsbescheid wird aufgehoben.
Wenn Du ihn danach zustellst, auch nicht weiter schlimm, das Verfahren verzögert sich nur.
Verweigern kannst Du den Dienst an der Waffe sogar noch während des Wehrdienstes- aber soweit soll‘s ja gar nicht kommen.
Alle Angaben ohne Gewehr – informiere Dich gründlich und nach Möglichkeit bei einer Beratungsstelle, wie Du um die Bundeswehr rumkommst.
Wir wünschen Dir viel Glück!
Bundeswehr und alle Zwangsdienste abschaffen!
Schwerter zu Pflugscharen und Soldaten zu Küchenhelfern!
Mehr Nützliches im Netz:
www.Zentralstelle-KDV.de
Außerdem: „Kein Bund fürs Leben!“ – Artikel in der „Straßen aus Zucker“#1