Du brauchst einen Tapetenwechsel, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? Wir zeigen dir, wie du deine Schmuddelbude mit tollen DIY-Ideen in einen Traumpalast verwandelst. Hol dir die Utopie ins Wohnzimmer! Tipp 6 wird dich überraschen.

1. Bestandsaufnahme deines alten Messie-Zimmers

Sieh dich doch mal um: Dein Zimmer ist unverschämt klein und trotzdem so teuer, dass es deine ganze Kohle auffrisst. Der Döner um die Ecke kostet jetzt zehn Euro und den Club am Wochenende kannst du dir auch nicht mehr leisten. Sowieso wird alles immer teurer und du musst schauen, wo du bleibst. Du bist zu erschöpft von Arbeit, Schule und Uni für die geilen Sachen im Leben. Stundenlang scrollst du durch Social Media und ahnst bereits, dass weder neue Hautpflegeserien noch Heißluftfritteusen ein echter Lifesaver sein werden. Nachrichten guckst du gar nicht mehr, weil dich das eh immer nur runterzieht. Am Ende des Tages fühlst du dich einsam, überfordert und hilflos. Alles scheiße? Ja – aber nicht überall. Und es gibt Hilfe.

2. Frischer Anstrich für deine vier Wände

Tagein, tagaus mit unseren als utopisch verschrienen Gedanken gegen eine Wand zu laufen, die noch dazu immer gewaltiger zu werden scheint, ist enorm kräftezehrend. Der Zugang zu alternativen Räumen hilft da, einen Blick über diese riesige Wand zu werfen. Wenn du zum Beispiel im selbstverwalteten Zentrum bei dir im Ort merkst, dass du mit deinem Wunsch nach einer besseren Welt nicht allein bist. Im Hausprojekt in deinem Viertel kannst du dich politisch einbringen, kreativ austoben und mitunter sogar einen Schlafplatz zum fairen Preis bekommen. Am Wochenende besuchst du selbst organisierte Konzerte, Partys und Festivals, bei denen alle aufeinander achtgeben und ohne Angst so sein können, wie sie sind. Es sind solche Projekte, die uns Hoffnung geben und zeigen, dass wir auch ganz anders zusammenleben können. Wo versucht wird, der ganzen Scheiße eine gemeinsame Antwort entgegenzustellen und eigenhändig Alternativen zu schaffen. Du brauchst Menschen um dich herum, die auf gesellschaftliche Erwartungen nichts geben und sich lieber unterstützen, als sich gegenseitig auszustechen. Warum sollten wir nicht im Kleinen vorwegnehmen, was wir uns im Großen wünschen?

3. Bedürfnisorientiertes Einrichten deines neuen Freiraums

Im besten Fall lernen wir noch einiges dazu, wie wir zusammenleben wollen, und zeigen anderen Menschen, wie schön ein Leben ohne Konkurrenz und Ausbeutung sein könnte. Und ja, das passiert immer nur in einem begrenzten Rahmen, ist deshalb aber nicht zu verachten: Denn Menschen, die solche Projekte ins Leben rufen und verteidigen, schaffen Orte, an denen wir uns organisieren und voneinander lernen können. Offene, gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten machen es überhaupt erst möglich, linke Strukturen aufzubauen, zu erhalten und miteinander zu vernetzen.

4. Lass deiner Kreativität freien Lauf

Diese kleinen Utopien können dabei ganz konkret dazu beitragen, Ressourcen und Sorgearbeit jetzt sofort gerechter zu verteilen, indem wir zum Beispiel Kinderbetreuung gemeinschaftlich organisieren. Im Grunde lässt sich ziemlich vieles teilen: Finanzen, Autos, Werkstätten, Verantwortung, Gärten, Jobs, Skills, Hausarbeit und Kühlschränke. So beweisen zum Beispiel Küfas, bei denen du Essen zum Selbstkostenpreis oder noch günstiger bekommst: Es ist kein Naturgesetz, dass du für eine warme Mahlzeit dein letztes Hemd verkaufen musst. Es geht dabei nicht nur um Wohltätigkeit, sondern auch um Selbstermächtigung: Wir bilden in diesen Räumen Banden, suchen beieinander Rat und schützen uns gegenseitig vor Repressionen. Wir singen zusammen in Chören und bauen Nachbarschaftsnetzwerke auf. In Handwerkskollektiven arbeiten wir nach unseren eigenen Bedingungen. Kunstkollektive ermöglichen es auch denjenigen von uns, sich kreativ auszuleben, die nicht in eine reiche Familie hineingeboren wurden. Im Grunde können wir uns genau die kleine Utopie schaffen, die uns fehlt. Viele dieser Freiräume sind außerdem bitter benötigte Schutzräume, insbesondere für Menschen auf der Flucht, Queers oder linke Aktivist:innen.

5. Cottagecore ist out

Also ziehen wir alle in Hausprojekte und alles wird gut?! Ganz so einfach ist es leider nicht. Als Linke sollten wir uns nicht damit zufriedengeben, gemütliche Rückzugsinseln für uns selbst zu schaffen. Sich in diese Freiräume zurückziehen zu können, ist wichtig, aber auch ein Privileg, das vielen Menschen, zum Beispiel Pflegebedürftigen, oft verwehrt bleibt. Auch auf dem Land sucht man Hausprojekte oder linke Zentren meist vergebens. Und selbst im progressivsten Hausprojekt werden wir nie komplett sicher vor Sexismus, Antisemitismus und Rassismus sein, solange das Hausprojekt Teil dieser Gesellschaft ist, die sexistisch, antisemitisch und rassistisch ist. Was dagegen sicher ist: dass das, was uns dort oft erwartet – endlose Plena, Antifa-Macker und verstaubte Putzpläne – auch ganz schön belastend sein kann. Beim Versuch, alles, was der Staat versäumt oder versaut, irgendwie auszugleichen, laufen wir dann auch noch Gefahr, selbst auszubrennen.

6. Im Zweifelsfall: Wanddurchbruch!

Manchmal brauchen wir drei Tage wach oder eine Woche am See – die Verhältnisse verändern werden wir damit allein aber nicht. Das große Bedürfnis nach der eigenen kleinen Utopie speist sich auch aus dem weit verbreiteten Gefühl, dass große, gesamtgesellschaftliche Utopien nicht mehr umsetzbar sind. Dass wir manchmal dieses Gefühl haben, ist kein Zufall: Es stabilisiert die aktuelle Macht- und Eigentumsverteilung. Trügen lassen sollten wir uns von diesem Eindruck aber nicht. Auch zementierte Verhältnisse wurden einst zementiert – und lassen sich mit dem richtigen Werkzeug wieder einreißen. Es spricht also nichts dagegen, so viel Utopie im Privaten zu leben, wie uns guttut. Wir sagen sogar: Das ist Selfcare. Unser Anspruch sollte aber sein, all diese kleinen Utopien nicht einzuzäunen, sondern groß zu machen. Wir wünschen eben nicht nur uns das gute Leben, sondern wollen das gute Leben für alle. Natürlich haben wir volles Verständnis dafür, dass man aus der Realität manchmal einfach nur flüchten möchte und sich mit Leidensgenoss:innen zusammenschließt, um sich und seinen Lieben das Leben erträglicher und schöner zu gestalten. Aber bitte nicht im hyggeligen Szene-Sitzsack versacken. Denn so richtig zu Hause fühlen wir uns erst, wenn die ganze Welt zur Wohlfühloase geworden ist und die Straßen aus Zucker sind. Du willst Döner drei Euro? Wir wollen Döner umsonst.

Zum Weiterlesen:
Theodor W. Adorno: Asyl für Obdachlose. In: Minima Moralia – Reflexionen aus dem beschädigten Leben. 1951. 17 €.
Mia Neuhaus/Massimo Perinelli/Lucas Mielke (Hg.): Solidarität – eine reale Utopie. 2025. 25 €.