»Aktivismus kommt von Action statt nur rumzuschmoll’n / Respekt an alle, die viel machen ohne rumzuproll’n«

Ein Interview mit Pöbel MC

Pöbel MC ist ein bekannter Musiker aus Rostock, der Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt. Auf seiner aktuellen EP »Pöbel Sports Tape 2« finden sich Banger wie »Bock auf Crime«, »Diskurssex« oder »Niemals sitt«. Mal schreibt er alberne, mal introspektive Texte und häufig haben sie einen Bezug zu gesellschaftspolitischen Themen. Darum haben wir ihn gefragt:

Das Wort Protest bedeutet für Dich …

… Widerstand gegen etwas, das man für falsch hält. Ich meine damit aber nicht den Jungen, der dagegen protestiert, dass es zum Mittag Brokkoli gibt, sondern ich denke dabei an größere Umstände, die nicht nur individuellen Bezug haben.

Du spielst über 50 Konzerte im Jahr und kannst von Deiner Musik leben. Was bedeutet Dir das?

Musik ist schon lange ein Teil meines Lebens und bedeutet mir viel. Es macht mir einfach Spaß, im Studio zu sein und Sounds zu entwickeln. Was ich in letzter Zeit mehr für mich entdeckt habe, ist ein bisschen (schlecht) zu singen, haha, statt nur zu rappen. Das hört ihr zum Beispiel bei »Arm in Arm«. Es ist ein schönes Gefühl, dass meine Musik Menschen Spaß macht, ihnen Freude bereitet und ihnen Kraft gibt.

Deine Texte werden zum Teil als sehr politisch wahrgenommen. War das irgendwann mal eine bewusste Entscheidung, politische Musik zu machen?

Nö, eigentlich nicht. Ich fand es einfach ganz normal, zu sagen, was ich kacke finde. Ich hatte auch keine besondere Antifa-Sozialisation oder so.
Meinungsäußerung hat ja nicht sofort etwas mit politischem Aktivismus zu tun. Ich bringe auch keinen Track raus und denke mir: »Geil, jetzt habe ich zu dem Thema auch mal was gesagt«. Ich mache auch keine Protestsongs oder so. Ich thematisiere die Ungerechtigkeiten, in denen ich mich bewege und das ist politisch. Ich habe das aber nie mit dem Ziel gemacht, explizit politisch zu sein. Das ist ein Unterschied. Wenn jetzt Flexticker XY darüber rappt, dass er Kilos wegdrückt, um Porsche zu fahren, dann spricht man nicht davon, dass er politische Musik macht. Dabei ist seine Musik auch politisch, weil sich gesellschaftliche Verhältnisse in ihr widerspiegeln.

Du sagst, Du hattest keine besondere Antifa-Sozialisation. Wie wurdest Du denn eigentlich politisiert?

Ich bin ja in Rostock aufgewachsen. Und wegen der rechtsextremen Angriffe in Rostock-Lichtenhagen war man oft mit dem Stereotyp konfrontiert, in Rostock seien alle Nazis. Darum waren wir früh dazu angehalten, über dieses Thema nachzudenken und uns auch davon abzugrenzen. Wir haben früh gecheckt, dass es Rechtsextremismus gibt und dass von diesen Leuten krasse Verbrechen begangen werden. Das hat bei uns aber nicht zu irgendeiner Organisationsform oder zu Aktivismus geführt. Klar, bei so bürgerlichen »Bunt statt Braun«-Demos waren wir als Schüler schon und fanden das gut. Aber das war alles nicht tiefgründig, sondern wir dachten eher: »Nazis sind lächerlich – warum gibt‘s die überhaupt?!« Wir haben das nicht in einem größeren Kontext gesehen. Auch mit feministischen Themen oder mit Rassismus oder Ungerechtigkeiten in der Rechtsprechung haben wir uns damals nicht beschäftigt, das kam erst später. Lustigerweise auch darüber, dass ich über meine Musik politisch verortet wurde. Das hat mich teilweise erst dazu gebracht, mich detaillierter mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen.

Du bist in Deinen Songs schon atzig, aber trotzdem nimmst Du im Gegensatz zu manch anderen Rappern von diskriminierender oder frauenverachtender Sprache eher Abstand. Ist das eine bewusste Entscheidung? Und wie sehr achtest Du darauf, was Du in Deinen Songs sagst?

Ja, das ist eine bewusste Entscheidung und auch kein Widerspruch. Irgendein peinliches Gelaber braucht man wirklich nicht, um etwas Interessantes zu erzählen oder nen Harten zu machen. Es gibt Rapper, die das Konzept haben, etwas zu sagen, das andere grenzwertig finden. Also billige Provokation, weil sie funktioniert. Wie so ein Aktionfilm, der auf Effekthascherei statt auf Story setzt. Und das kann ja auch Spaß machen! Aber ich finde das irgendwie langweilig und ausgelutscht. Da finde ich es spannender, eine kunstvolle, wenig abgedroschene Sprache zu verwenden, die man für (sich selbst) vertretbar hält. Aber ich sehe mich da echt nicht in der Rolle des musikalischen Meister Propper, der dafür sorgen muss, dass sich alle gesittet äußern. Ich finde ehrlich gesagt auch eine so ganz cleane Sprache von linken Rappern manchmal unangenehm bzw. uninteressant. Letztendlich geht es auch immer darum, wie gut es künstlich gemacht ist. Und ja, ich denke schon darüber nach, was ich sage und wie das ankommt. Meistens schreibe ich von vornherein keine Songs, bei denen ich denke: »Komplett krank, wenn das jemand hört«. Aber manchmal habe ich auch etwas Oberwasser und denke mir prollige Punchlines aus, die ich im Nachhinein wieder ändere. Mein Anspruch als Rapper ist es, etwas zu sagen, dem ich zustimmen oder über das ich lachen kann.

Apropos Texte, wir haben mal ein Zitat von Dir mitgebracht: »Linke Bubbles, manchmal Inbegriff der Peinlichkeit«.

Manchmal klar, haha, Pöbel MC, guter Mann, da hat er Recht! Meiner Meinung nach gehen viele Diskussionen, die ich miterlebe, an den eigentlichen Problemen unserer Gesellschaft und an Handlungsfähigkeit vorbei. Ich finde manche Vorstellungen, zum Beispiel zum Sprachgebrauch, ziemlich elitär, weil sich Leute in abgeschotteten Räumen bewegen. Und manche verhalten sich auch relativ toxisch – unter dem Vorzeichen, genau das bekämpfen zu wollen. Darum habe ich in bestimmten Zusammenhängen den Eindruck gewonnen, dass es ein eher destruktives Miteinander gibt, statt Zusammenhalt. Mein Freundeskreis zum Beispiel ist keine streng linke Bubble. Klar teilen wir bestimmte Vorstellungen von Gerechtigkeit oder politische Ideen, aber wir sind kein ideologisch versteiftes Konglomerat an Leuten.

In dieser SaZ-Ausgabe geht es ja um Protest. Darum wollen wir gern wissen, welche Protestformen findest Du denn sinnvoll und welche eher peinlich?

Es gibt viele sinnvolle Protestformen. Ich glaube, es kann sogar eine wirksame Protestform sein, die Strukturen und den Wohlstand unserer Gesellschaft dafür zu nutzen, selbst einflussreich zu werden und aus dieser Position heraus etwas zu machen. Zum Beispiel kann es auch Protest sein, Jura zu studieren, um gute linke Anwält:innen zu werden und für bessere strukturelle Verhältnisse zu kämpfen – so lange man sich dabei nicht verliert, was immer die Gefahr ist. Auch ist das natürlich nur für manche Menschen überhaupt möglich. Social Media kann zwar punktuell aktivieren, aber ist oft zu kurz gegriffen und hat auch Nachteile, weil es den Leuten eine politische Teilnahme vorgaukelt. So nach dem Motto: »Jetzt hab ich mich ja geäußert und damit ist´s gut«. Große Demos können wichtig sein, auch um sich auszudrücken. Aber ich glaube, um wirklich ins politische Geschehen nachhaltig eingreifen zu können, muss man schon Gruppierungen gründen, um kontinuierlich an etwas zu arbeiten, also z.B. Seenotrettung, Geflüchtetenhilfe, Klimaaktivismus und so weiter.

Was denkst Du über aktuelle Protestformen, die vor dem Hintergrund der Klimakrise stattfinden?

Ich finde es zunächst mal völlig absurd, dass Klimaktivist:innen die Legitimität ihres Protests abgesprochen wird. Das Schlimme ist ja, dass man offensichtlich kaum gute Mittel des Protests finden kann. Klima ist ja nicht mal ein Thema, das mit einer vagen Idee daher kommt, sondern es ist ein wissenschaftlicher Fakt, dass die Auswirkungen der Erderwärmung einen gravierenden und negativen Einfluss auf uns in den kommenden Jahren haben werden. Die Leute, die sich auf die Straße kleben, fänden es bestimmt angenehmer, wenn sie das nicht müssten, und denken sich nicht: »Heute habe ich richtig Bock, von jemandem angespuckt zu werden und dann von aggressiven Cops die Schulter ausgerenkt zu bekommen«. Es wäre schöner, wenn man das alles kommunikativ und mit Überzeugungsarbeit verändern könnte, aber darauf kann man sich offensichtlich nicht verlassen. Es muss aber etwas passieren und diese Verantwortung ins Private auszulagern, ist Augenwischerei. Nachweislich wird ja an ganz anderen Stellen zu viel und überproportional verbraucht. Deshalb braucht es politischen Druck. Davon abgesehen glaube ich schon, dass Menschen sich im Verzicht üben müssten und dass das nicht unbedingt einen Verlust an Lebensqualität bedeuten würde. Allerdings würde ich das wie gesagt nicht in die Verantwortung der Einzelnen übertragen, sondern es bräuchte gezielte Verbote, zum Beispiel von Privatflügen. Was die Reichweite anbelangt, könnten die Proteste der »Letzten Generation« als Erfolg verbucht werden. Es scheint eine große Angst davor zu geben, dass sich dieses Vorgehen etabliert. Diese punktuelle Verwendung von zivilem Ungehorsam ist sehr schwer einzudämmen und hat große Auswirkungen. Deswegen wird auch eine so krasse Hetzkampagne dagegen gefahren und es werden Leute emotionalisiert, um sich darüber zu echauffieren.

Von Dir ist die Punchline: »Aktivismus kommt von Action statt nur rumzuschmoll’n / Respekt an alle, die viel machen ohne rumzuproll’n« – was willst Du damit zum Ausdruck bringen?

Naja, ich sage ja, dass ich das, was ich tue, nicht als Aktivismus betrachte. Ich mache halt erst mal Musik und das ist etwas Schönes, Bequemes und Freudvolles. Das zu etwas anderem zu verklären oder sich selbst zu überheben, verkennt, was es braucht, um wirklich etwas zu verändern. Im besten Fall kann ich mit so einer Textzeile die Menschen, die sich frustriert fühlen, dazu animieren, wieder mehr zu machen. Ich will damit auch zum Ausdruck bringen, was ich als respektabel betrachte. Es wird im künstlerischen Bereich so viel Wind um kleine Aktionen gemacht, zum Beispiel weil irgendwer ein paar Euro an Seawatch gespendet oder ein Solipost geteilt hat. Gleichzeitig gibt es Leute, die seit fünf Jahren im Maschinenraum zur See fahren, um Leute zu retten, keinen Insta-Account haben und es darum kein Mensch mitbekommt. Ich möchte meinen Respekt an alle aussprechen, die so etwas machen, weil sie es für das Richtige halten, und nicht für Fame.