Interview mit El Hotzo
SaZ: Unsere Zeitung erreicht dank vieler engagierter Leser*innen die hintersten Ecken Deutschlands. Denkst Du, in deinem Heimatdorf würden wir gut ankommen?
El Hotzo: Auf gar keinen Fall. Ich würde es zwar euch und auch dem Dorf sehr wünschen, aber das linkeste Medium, das dort konsumiert wird, ist die Tagesschau.
Wie kam es, dass Du dich mit diesem Background zu einer „linken Socke“ – wie Du dich selbst mal genannt hast – entwickelt hast? Welche Rolle hat das Internet dabei gespielt?
Die „linke Socke“ war ein Gerhard Schröder Zitat – der ja nun wirklich keine linke Socke ist – und eher eine Fremdbezeichnung in meinem Dorf für mich. Meine Familie war immer die „linke Familie“ im Dorf, sprich, sie hat SPD gewählt. Meine früheste Erinnerung an Politik ist, dass mein Vater geweint hat, als Schröder 2005 als Bundeskanzler abgewählt worden ist. Aus dieser halbwegs linken Erziehung heraus ging der Keim Twitters natürlich in mir auf und daraus folgte ein weiteres Rücken nach links. Es versteht sich von selbst, dass alles, was ich politisch bin, aus dem Internet und von Twitter kommt. Wo hätte ich denn mit solchen Positionen sonst in Berührung kommen sollen? Bei Siemens im Großraumbüro? Ich glaube nicht.
Du bringst regelmäßig politische Statements in deine eigenen Tweets ein. Siehst Du dein Auftreten online als politischen Aktivismus?
Also, auch wenn ich acht Stunden am Tag im Internet verbringe, unterscheide ich immer noch zwischen realem und digitalem Leben. Andere Menschen opfern tatsächlich etwas, um politisch aktiv zu sein – sei es Zeit oder persönliche Sicherheit. Was ich mache ist vielleicht ein Ansatz und ich finde es schön, dass ich dadurch Reichweite habe, die ich auch anderen geben kann. Aber politischer Aktivismus ist es nicht, ich schreibe einfach Gags. Jede*r Westenträger*in von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, der Initiative zum Volksentscheid in Berlin, macht in dieser Hinsicht mehr als ich.
Du hast selbst gesagt, dass Twitter und das Internet bei Dir ein politisches Bewusstsein geschaffen haben. Denkst Du, Du kannst online Leute erreichen, denen dieses Bewusstsein fehlt?
Es ist eine alte Diskussion, ob man mit ein bisschen linkem „Anfüttern“ mehr Leute erreicht als mit tatsächlich nötigen, radikalen Forderungen. Ich glaube, dass es wichtig und sehr einfach ist, mit Humor und leicht teilbaren Inhalten politisches Interesse in Menschen zu wecken. Es kann viel bewirken, wenn die vielen Leute, die mir folgen, ab und an einen Seitenhieb in meinen Posts abbekommen, so wie es auch bei mir viel bewirkt hat, lustigen linken Leuten auf Twitter zu folgen. Vielleicht wird dadurch tatsächlich eine Art Bewusstsein geschaffen. Aber vielleicht bin ich auch das Elektroauto unter den Comedians: Am Ende ist es immer noch ein Auto und verändert systematisch nichts, aber es ist weniger schlimm als anderes. Das ist ein Kompromiss, den ich mit mir geschlossen habe, allerdings einer, der mich nicht selbst angreift. Manchmal frage ich mich schon, warum ich meinen Followern immer nur kleine Brocken hinwerfe, statt einfach mal laute Worte zu finden und Forderungen auszuformulieren.
Wie reagiert Instagram, was sich ja als unpolitisches Netzwerk versteht, wenn Du politischen Content postest? Haben diese Posts eine geringere Reichweite?
Manchmal ist die Reichweite sogar größer. Mein Account lebt auch davon, dass ich Statements teilbar verpacke, die man nach dem Motto „Ich bin einer von den Guten“ in seine Story packen kann. Das erfordert noch weniger Mühe, als es mir Mühe macht, diese Statements zu verfassen und ist eigentlich die unterste Schublade politischer Positionierung. Ich glaube, das ist tatsächlich ein großes Ding, gerade wenn es um sehr allgemeine Sachen geht, wie „AfD schlecht“. Dann denkt man sich: „Ja, AfD schlecht“. In längeren Texten wäre es einfacher, konkrete Forderungen auszuformulieren, die erreichen dann aber weniger Menschen, weil sie nicht in einer Instagram-Story teilbar sind.
Du lästerst ja auch ganz gerne mal über deine Follower. Hat das auch politische Gründe?
Letztlich ist dieses Lästern übers Publikum auch Lästern über mich selbst. Ich glaube, der Großteil meiner Followerschaft versteht das und hat diesen selbstironischen Sinn. Viele Leute werden aber auch von den kleinsten politischen Positionierungen abgestoßen und meinen, mir das dann aus ihrer Perspektive erklären zu müssen, die immer die einzig wahre Wahrheit ist. Das ist anstrengend, aber noch weniger verstehe ich, dass viele auch komplett darüber hinwegsehen, wenn ich etwas poste, was ihnen politisch nicht passt. Ich glaube, dass ich mehr Toleranz meiner Followerschaft gegenüber habe, als andersherum vorhanden ist.
Bekommst Du manchmal auch richtig schlimme Anfeindungen?
Morddrohungen sind an der Tagesordnung. Ich habe aber den Vorteil, dass ich ein weißer Mann im Internet bin, und ich deshalb mit der hundertfachen Reichweite ein Zehntel der Anfeindungen bekomme, die Freundinnen von mir bekommen. Das ist tragisch, aber ich kann mich dadurch relativ frei im Internet und in Berlin bewegen. Mich belastet das dennoch psychisch manchmal sehr. Wenn mir allerdings ein Typ mit lauter VW-Golfs in seinem Instagram-Profil schreibt, dass ich „ein dummer Hurensohn“ bin, der „sich ficken“ soll, dann denke ich mir manchmal auch: „Ja, ich wünsche mir, dass Leute wie du so über mich denken“.
Mittlerweile bist Du eine Person des öffentlichen Lebens, du hast ein Management und verdienst Geld mit deinem öffentlichen Auftritt. Macht Dir das Druck, mehr darauf zu achten, was Du so postest?
Ehrlich gesagt, nein. Natürlich sind meine Tweets ein bisschen weniger edgy geworden, seitdem ich auf so einer großen Plattform stattfinde, weil ich mittlerweile weiß, dass manche Dinge in anderen Menschen sehr unangenehme Gefühle auslösen und ich nicht dafür verantwortlich sein möchte. Außerdem wäre gesperrt werden für mich richtig scheiße. Ich bin also ein bisschen vorsichtiger geworden, aber nicht so, dass ich mich komplett verbiegen muss. Ich frage mich allerdings auch, wann sich endlich mal ein WELT-Kolumnist zwei, drei Tweets von mir rauspickt und dann schreibt: „Gebührenzahler finanzieren diesen Linksextremisten“. Darauf hätte ich mega Bock. Falls das jemand von der WELT hier liest, möchte ich an dieser Stelle sagen: Ich würde sogar die Kolumne schreiben, wenn es sein muss!
Zum Abschluss noch eine Frage, auf deren Antwort wir besonders gespannt sind: Was ist eigentlich deine Meinung zu Marc-Uwe Kling?
Ich glaube, Marc-Uwe Kling ist eigentlich kein schlechter Typ. Und hat er nicht am Ende mit seinen Känguru-Chroniken tatsächlich das gemacht, was ich auch ein bisschen mit meinem Account mache? Also eine linke Denkweise an ein großes Publikum bringen. Wenn so was nur mit Humor und einem sprechenden Känguru funktioniert, ohne dass man dafür durch die Straßen geprügelt wird, finde ich das okay. Vieles ist aber schon sehr albern und ich finde es whack, dass er immer diesen Hut aufhat. Ich tue ihm wahrscheinlich oft Unrecht, es ist aber sehr einfach über ihn zu lästern, deshalb werde ich das auch weiterhin tun.