„MiauWuffQuäkQuäkQuäk“

Über die vegane Wurst im Kühlschrank und das Verhältnis von Menschen und Tieren

Nichts ist netter, als im Park mit Freund*innen zu chillen und zu grillen. Ein bisschen nervig sind dann schon die, die einem miesepeterig die Tofuwurst vor die Nase baumeln und versuchen, einem das leckere Steak madig zu machen. Oder? Irgendwie wissen alle – und irgendwie will es dann doch niemand so recht wissen – was mit den Tieren passiert, die wir uns später in Form von Wurst, Schnitzel oder Döner in den Mund schieben. Dass Mastschweine auf Spaltenböden in ihrem Kot vegetieren und manche nicht mehr aufstehen, weil sie das eigene Gewicht nicht mehr tragen können. Dass viele von ihnen das Tageslicht in der Regel nur an einem einzigen Tag sehen: auf dem Weg zum Schlachthof. Dass männliche Küken millionenfach getötet werden, weil sie weder Eier noch lecker Hähnchenbrust liefern. Auf Biohöfen haben die Tiere zwar mehr Auslauf und Sonnenstrahlen, aber auch hier werden etwa Kälbchen kurz nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt, damit diese Milch für Menschen produziert. Die Liste an Beispielen ließe sich endlos fortsetzen…

Deutschland, Du Superschwein

In seinem Leben isst jeder Mensch aus Deutschland im Durchschnitt etwa 700 Tiere. Und fast allen davon ging es davor beschissen. Dies nur für den guten Geschmack in Kauf zu nehmen, wirkt in einem Land erstmal absurd, in dem es selbst bei McDonalds den veganen BigMac zu kaufen gibt und pflanzliches Essen nicht teurer als tierische Produkte ist. Da bei den meisten Tierarten unschwer festgestellt werden kann, dass sie Schmerzen empfinden, ist es auch einfach falsch. Wenn man als Mensch, zumindest als linker Mensch, etwas gegen das Zufügen von Schmerzen gegenüber fühlenden Lebewesen hat, dann ist das, was Tieren in der Lebensmittelindustrie, in Tierversuchen oder Zirkussen angetan wird, eigentlich nicht tolerierbar. Aber wie das so ist: Auch bei der SaZ essen manche Fleisch und mögen es einfach sehr und glauben nicht daran, dass individuelle Konsumentscheidungen viel bringen, aber schielen ein bisschen auf die rasante Entwicklung, die bei künstlichem Fleisch vielleicht mal eine gute Alternative bietet…

Jetzt aber hängt das Mensch-Tier-Verhältnis eng mit unserer kapitalistischen Gesellschaft zusammen: Im Produktionsprozess sind Tiere bloße Verwertungsgegenstände. Das rechtfertigt dann den brutalen Umgang, weil sie als Ware und Produktionsmittel, und nicht als empfindsame Wesen erscheinen. Rechtlich sind sie das Eigentum von Menschen. Und individuelle Konsumentscheidungen machen selten einen Unterscheid. Nur weil ich zu Hause die Sojawurst statt dem Schinkenknacker auf den Grill werfe, wird kein Schlachthof schließen. Die Gesellschaft ist veggie-freundlicher geworden, der Fleischkonsum sinkt langsam, aber die Fleischproduktion bleibt trotzdem konstant. Staatliche Fördermaßnahmen helfen der massiven Ausfuhr: Superschwein Deutschland ist weltweit größter Exporteur von Schweinefleisch oder verkauft Hühnchenteile in viele afrikanische Länder wie Benin. Das Importfleisch ist für die Menschen dort deutlich günstiger als das vor Ort hergestellte. So wirtschaftet Deutschland nebenbei auch noch die lokale Produktion nieder, die sich im Preiskampf nicht durchsetzen kann. Während Du also Dein veganes Schnitzel futterst, investiert der deutsche Staat trotzdem weiterhin fleißig in die Hähnchenproduktion.

Kuhpups kills Klima

Die Nutztierindustrie produziert aber nicht nur tierisches und menschliches Leid, sondern auch immense ökologische Schäden. Sie zeichnet sich durch einen extrem hohen Wasserverbrauch (etwa 15000 Liter pro Kilo Rindfleisch) aus und beansprucht riesige landwirtschaftliche Nutzflächen für Tiere und Futtermittel. Und auch die CO2-Bilanz der Nutztierindustrie ist erschreckend, etwa durch Methan all der Kuhpupse. Die industrielle Tierproduktion ist insofern Teil eines destruktiven Wirtschaftssystems. Darin werden Tiere und Natur mit dem Ziel der Steigerung von Profit in einen Verwertungsprozess eingespeist, der durch die grenzenlose Vernutzung natürlicher Ressourcen geprägt ist.

Der Holocaust ist nicht auf Deinem Teller

Auch wenn das Mensch-Tier-Verhältnis einer Kritik unterzogen werden sollte, bedeutet das nicht, dass wir alles gut finden, was selbsternannte Tierrechtler*innen oder Tierschützer*innen so machen. Wenn ihnen die Tiere in der Lebensmittelindustrie am Herzen liegen, aber die Menschen völlig egal sind, die dort oft unter beschissensten Bedingungen arbeiten, finden wir das kritikwürdig. Wenn das millionenfache Schlachten von Tieren effekthascherisch mit dem Holocaust verglichen wird, wie in einer Kampagne der Tierrechtsorganisation PeTA mit dem Titel „Der Holocaust auf Ihrem Teller“, finden wir das falsch und gefährlich. Denn solche Vergleiche bedeuten eine Verharmlosung der Geschichte derjenigen, die im Holocaust ermordet wurden.

Zu sagen, dass es Unterschiede zwischen Menschen und Tieren gibt, ist aber kein Ausdruck eines fiesen „Speziesismus“ (das meint, dass das Leben und Leiden von bestimmten Arten denen anderer Arten übergeordnet wird – dass also menschliches Leben wichtiger ist als tierisches). Natürlich haben alle Menschen sehr verschiedene Fähigkeiten und es gibt auch unter Tieren große Unterschiede etwa zwischen einer Schmeißfliege und einem Schimpansen, einer Forelle oder einem Flusspferd. Und dennoch: Menschen – als „Gattungswesen“ – sind in der Lage, komplexe Gesellschaften zu bilden (leider nicht die allerbesten, wie wir jeden Tag sehen…), sie können sprechen und sich reflektieren; indem sie sich zum Beispiel den Kopf darüber zerbrechen, ob sie nun andere Tiere essen sollen oder doch lieber ne Tofuwurst braten. Das würde selbst dem intelligentesten Pavian nicht einfallen. Erwachsene Menschen können ihre Triebe regulieren. Erkennt man das nicht an, kommt man leider auf falsche Erklärungen für menschliches Verhalten. Wenn es, wie manche Tierrechtler*innen behaupten, nur „nicht-menschliche“ und „menschliche Tiere“ gäbe, dann führen letztere eben Krieg wegen ihres Aggressionstriebs; oder „männliche menschliche Tiere“ tatschen vielleicht „weibliche menschliche Tiere“ an, weil sie ihrem Sexualtrieb folgen; oder Menschen wollen keine Geflüchteten bei sich, weil sie dem „Herdentrieb“ nach eben am Liebsten unter sich bleiben. Solche Erklärungen sind aber Quatsch – als rationale Wesen können Menschen zumindest potentiell auch alles ganz anders machen. Wenn dem nicht so wäre, würde es sich ja gar nicht lohnen, für eine kommunistische Gesellschaft zu streiten.

Wenn sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen

Bekanntermaßen tun wir dies aber. Und wie sähe nun so eine Utopie aus, wenn es um das Verhältnis von Hülya und Hase, von Konstantin und Kuh geht? Sicherlich nicht so, dass Löwen keine Antilopen mehr fressen dürfen und wir in einer WG mit einem Krokodil leben. Aber schon so, dass es erst einmal keinen Grund geben sollte, empfindsamen Wesen Schmerz zuzufügen. Sicher, in der derzeitigen Welt ist es eingebildet und ignorant, wenn deutsche Veganer*innen allen Menschen eine rein pflanzliche Ernährung vorschreiben wollen, auch in Regionen, in denen jede Milchkuh und jede Ziege für das Überleben wichtig sind. Für viele Menschen in vielen Ländern ist es schlichtweg finanziell unmöglich und gesundheitlich gefährlich, auf tierisches Eiweiß zu verzichten, was zumindest in Regionen, in denen nur wenig wächst, ein bisschen Vielfalt auf den Teller bringt. Aber wenn die kapitalistische Staatenkonkurrenz nicht zu globalen Ungleichheiten führen würde, gäbe es genug vollwertige pflanzliche Nahrung für alle. Und der Stand des technologischen Fortschritts würde es noch viel stärker ermöglichen, auch global auf „Nutztiere“ – Rinder in der Landwirtschaft, Lastenesel – zu verzichten, Alternativen zu Tierversuchen zu finden und geiles Essen zu produzieren, das kein Steak vermissen lässt. Bis dahin kann die Sojasahne beim Familiensonntagskuchen immerhin ein Anlass sein, um das scheinbar selbstverständliche Vernutzen von Tieren zumindest zu hinterfragen. Ob es in einer anderen, besseren Gesellschaft weiterhin in Ordnung ist, Tiere zu töten, um sie zu essen, tragen oder sonst wie zu nutzen? Da sind wir uns nicht einig. Aber was sowohl die Fleischesser*innen als auch die Veganer*innen bei der SaZ wollen: Die Vision einer Gesellschaft aufrechtzuerhalten, in der alle Menschen genug gutes Essen haben. Und alle Tiere so leben können, wie es auch ihnen als fühlende Wesen gut gefällt – ohne Leid und ohne Schmerzen.

Zum Weiterlesen:

Gruppen gegen Kapital und Nation: Antwort auf einen Leserbrief zu Veganismus. https://gegen-kapital-und-nation.org/letter/zu-meine-freunde-ess-ich-nicht-kritik-am-veganismus-1/

Phase 2, Nummer 50: Fatale Ethik. Die Debatte um Peter Singer in der Frauen- und Behindertenbewegung. https://phase-zwei.org/hefte/artikel/fatale-ethik-563/

Theodor W. Adorno: Aphorismus Nr. 68 „Menschen sehen Dich an“. In: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. http://copyriot.com/sinistra/reading/agnado/minima.html