Mein Freund, der Baum

Über rechtes Gedankengut in der Ökologie-Bewegung, deutsche Eichen und deinen Aktivismus

Eine rosarote Brille, wenn man auf den deutschen Wald schaut, leuchtende Augen bei dem Gedanken an unberührtes Leben in der Wildnis – die Romantisierung der Natur kann sowohl bei Hippies, die den Wald lieben, als auch bei Nazis, die Deutschland lieben, vorgefunden werden. Dass beide nun nicht so eine krasse Freundschaft verbindet – das ist klar. Aber dass sich die Liebe zum Wald und zu Deutschland im Kampf um die heimische Eiche trifft, wird oft nicht beachtet.

Deutsche Eiche – wtf?

Was soll denn nun mit dieser deutschen Eiche sein? Sie steht zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, im Hambacher Forst. Dort, wo gerade und schon seit mehreren Jahren viele Aktivist*innen gegen die Abholzung des wirklich alten Waldes kämpfen. Dabei haben sie nicht nur den einzelnen Baum im Blick, sondern kämpfen hier konkret gegen die Kohleindustrie. Wir sind uns mit den Aktivistinnen des Hambacher Forstes einig, dass der Kampf für eine befreite Gesellschaft, die gleichzeitig auch sichert, dass wir auf dieser Welt noch länger als nur zehn Jahre leben können, zwangsläufig jetzt geführt werden muss.

Heute scheint die Umweltbewegung Angelegenheit der Linken zu sein. Eingeführt von den Aktivist*innen der 68er, über die Anti-Atomkraft-Bewegung bis hin zur Anti-Braunkohle-Bewegung, Ende Gelände und Fridays for Future. Und trotzdem kommen wir nun so miesepetrig daher und wollen Dir diese schöne Illusion nehmen, denn: Auch von rechter Seite wird sich mit der Natur und dem Klimawandel auseinandergesetzt.

Naja, da könnte man einwenden: AfD und Co. leugnen den halt und sehen jede Maßnahme gegen eine weitere Erhitzung des Klimas, so unbedeutend sie auch sein mag, als eine Zwangsmaßnahme der linken „Klima-Lobby“. Diese greife damit die Lebensweise der Deutschen – die aus Schwein essen und Diesel fahren bestehe – an und ziehe ihre Argumente nur aus gefälschten Studien. Jeder menschliche Einfluss auf die Erderhitzung wird von diesen Rechten geleugnet.

Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn?

Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn auf rechter Seite gibt es nicht nur die Fraktion der Klimaleugner*innen, sondern auch viele, die sich mit dem Klimawandel und biologischer Landwirtschaft, mit artgerechter Tierhaltung und Naturschutz auseinandersetzen.

Da gibt es zum Beispiel die sich immer weiter ausbreitende esoterische ‚Anastasia‘-Bewegung, die nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz betreibt, aber eben auch rassistische, antisemitische und rechtsextreme Positionen vertritt. Oder auch die ‚Völkischen Siedler*innen‘, die sich in ländlichen Gegenden niederlassen und dort mit ihrem festen Glauben an die Überlegenheit des deutschen Volkes eben nicht nur ihre Biobauernhöfe betreiben, sondern auch germanische Feste feiern und ihren Kindern Hass gegen Juden und als migrantisch wahrgenommene Menschen beibringen. Oftmals wird der Zuzug der Siedlerinnen von der Dorfgemeinde, so wie beispielsweise anfangs durch den Ortsvorsteher in Grabow (Mecklenburg-Vorpommern) begrüßt, da durch diese das Dorfleben wiederbelebt werde.

Grüne Fassade vor braunem Trash?

Auf den ersten Blick würden die meisten Biobauernhöfe, Esoterik und Naturschutz wahrscheinlich eher mit Sandalen tragenden Hippies statt mit Rechtsextremen assoziieren. Doch die Verbindung zwischen rechtsextremen Glaubensvorstellungen und Umweltschutz gibt es schon seit der Entstehung der ersten Naturschutzbewegungen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in romantischen Gedichten der „deutsche Wald“ zum Symbol einer völkischen Identität. Das bedeutet, dass kulturelle Vorstellungen, wie beispielsweise die Verherrlichung bäuerlicher Lebensformen, auf diesen übertragen wurden und die ,deutsche Waldnatur‘ zu etwas wurde, mit dem sich dann kollektiv ,das deutsche Volk‘ identifizieren konnte. Natur wurde mit Nation verknüpft und aus einem konservativen und antimodernen Verständnis heraus entstand die deutsche Umweltschutzbewegung. Antimodern deswegen, weil Natur als Gegenbild zu Fortschritt und Großstadt stilisiert wurde. Genau darauf stützte sich später die Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialist*innen: auf den Gedanken, dass das ‚deutsche Volk‘ und der ‚deutsche Raum‘ untrennbar zusammengehören und dass diese Heimat vor den vermeintlichen Gefahren durch Judentum, Feminismus, Sozialismus geschützt werden müsse.

Back to the roots

Auch von linker Seite wird oft ein Leben im Einklang mit der Natur gefordert. Der Mensch, größenwahnsinnig wie er ist, habe vergessen, dass er auch nur Naturwesen sei wie andere Tiere und habe die Regeln der Natur, die auch für ihn gelten würden, mit Füßen getreten. Doch im Wald herrscht leider kein friedliches Zusammenleben wie in Kinderfilmen, daher resultiert die Anwendung dieser Gesetze auf das menschliche Zusammenleben (das wird Biologismus genannt) auch nicht in einem friedlichen Miteinander. Vielmehr wird hier vielfach das „Recht der Stärkeren“ gefordert, Menschen nur noch als Teile von ewigen Gesetzen und Kollektiven begriffen und somit Ausgrenzung und Diskriminierung legitimiert.

Wie das? Der Mensch wird in dieser Ideologie über seinen Platz im Ökosystem definiert. Gesellschaften sind dabei natürlich und das „Volk“ wird in Analogie zum Tierreich als „Rasse“ gesehen, die es zu erhalten gelte. Im Kampf um die Erhaltung dieser „Art“ werden Hierarchien, Ausbeutung und Unterdrückung zum „Natürlichen“, das für den Erhalt der eigenen „Art“ notwendig sei. Konsequenterweise sind dabei alle emanzipatorischen Bewegungen widernatürlich: Der Kampf von Frauen* für mehr Rechte oder der von Homosexuellen um Gleichberechtigung ist damit ein Kampf gegen die eigene Natur und strikt abzulehnen.

Nicht genug Platz für uns alle

Uff, ganz schön hart – aber was sollen denn nun ein paar braune Siedler*innen mit meinem Engagement gegen den Klimawandel zu tun haben? Und wieso sollte meine Abneigung gegen Autoabgase und Großstadtluft irgendwas mit solchen Faschos zu tun haben? Berechtigte Frage, auf den ersten Blick nämlich nichts. Aber viele der Argumente für Umweltschutz, vor allem die, bei denen die Rückkehr zu einem naturverbundenen Leben gefordert und idealisiert wird, überschneiden sich mit genau diesen Idiot*innen.

Ein konsequent antifaschistisches, antinationales, feministisches und antirassistisches Klimaengagement sollte genau dies immer im Blick haben: Was bedeutet mein Argument weitergedacht? Wo gibt es Anschlussstellen für Verschwörungstheorien, für Diskriminierung und Ausgrenzung? Ein Beispiel: Die Angst vor der Überbevölkerung, die auch zu großem Raubbau an der Natur und zur Beschleunigung des Klimawandels führen würde. Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass diese „Gefahr“ nie in Europa gesehen wird? Nein, da gibt es viele Maßnahmen, dass die Leute wieder mehr Kinder bekommen. Dabei ist der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt Malta, in Deutschland leben 230 Menschen auf einem Quadratkilometer, während es im Kongo nur 36 Menschen sind, in Kenia 82. Die Frage ist also schnell: Wer ist „zu viel“?

Das Argument der Überbevölkerung mündet folglich oft in rassistischen Positionen und ist gleichzeitig auch verkürzt: denn nicht die Anzahl der Menschen ist das Problem, sondern die Wirtschaftsweise, mit der die Dinge, die wir brauchen, produziert werden. Dazu in anderen Artikeln dieser Ausgabe mehr.

Was also nun?

Was heißt das konkret für Deinen und meinen Klimaaktivismus?
Naja, es gilt diese (möglicherweise vorkommenden) Verbindungen zu rechten Ideenwelten, die immer Ausgrenzung und Gewalt im Gepäck haben, ausfindig zu machen und kritisch zu hinterfragen. Was wird genau gemeint, wenn von der „reinen“ Natur, von „Mutter Natur“ geschwärmt wird? Da kann eine esoterische Verachtung der Zivilisation dahinterstecken, muss es aber nicht. Deutlicher wird es, wenn von der „natürlichen Ordnung“ der Welt geschwärmt wird, die jedem Menschen einen Lebensraum und einen Rang im Oben und Unten der Gesellschaft zuordne. Dann will oft auch die gefährdete Scholle des Volkes geschützt werden, denn in diesem Weltbild verdrängen „globalistische Eliten“ die „erdverbundenen Bäuer*innen“. Aber auch vermeintlich harmlose Ideen, etwa dass die Zerstörung der Natur als Entfernung des Menschen von seinen natürlichen Grundlagen interpretiert wird, zu denen man in Demut zurückkehren müsse, sind bei näherem Betrachten recht gefährlich. Zusammengefasst: Für den Klimaschutz wollen wir uns einsetzen und den Kampf um die deutsche Eiche kritisch hinterfragen. Die Eiche würden wir retten, Deutschland nicht.

Zum Weiterlesen:

apabiz-Magazin Nummer 4: Ökologie von Rechts

Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz: Rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz.

Peter Bierl: Kurze Geschichte des Ökofaschismus. In: Antifaschistisches Infoblatt, Nummer 98.

Peter Bierl: Grüne Braune, Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von Rechts, 7,80 Euro.

Tomasz Konicz: Der alte Todesdrang der Neuen Rechten

Kontraste – die Reporter: Bio, braun und barfuß – Rechte Siedler in Brandenburg

Audio-Vortrag Ricarda Lang: Feindbild Klimaschützerin. Der rechte Hass auf Klimaaktivist*innen zwischen Sexismus, Heimatideologie und Gewissenserleichterung

Soundtrack zum Artikel: Antilopen Gang: Beton