Wir haben Wiener, den Sänger von Mülheim Asozial, zum Interview getroffen und bei Bierchen und Vodka nicht nur über die Band geplaudert.
SaZ: Habt ihr Lieblingshunde?
Mülheim Asozial: Unser Bassist Bullenstaat hat einen Hund, das ist unser Lieblingshund! Wir hatten auch mal ne Katze, als wir noch alle zusammen gewohnt haben.
Die ganze Band hat zusammen gewohnt?
Drei Viertel haben zusammen in einer Wirtswohnung über einer leer stehenden Kneipe gewohnt. Da aber unsere Gastherme in der Kneipe hing, hatten wir den Schlüssel und haben dort hin und wieder Parties gemacht. Dafür haben wir dann spaßeshalber eine Band gegründet und uns vier Lieder ausgedacht und ein kleines Konzert gespielt – was leider nach zwei Liedern von den Bullen beendet wurde. Dann haben wir gedacht: jetzt haben wir schon geprobt, jetzt müssen wir mindestens ein zweites Mal auftreten. Und dann ging’s irgendwie weiter; wir haben Spaß dran gefunden und ein paar andere Leute auch. Und jetzt gibt’s uns zehn Jahre.
Ihr seid ja eine rein männlich besetzte Band – ist das Publikum angenehmer, wenn ihr z.B. mit KennyKennyOhOh (eine Band von Frauen*) spielt?
Ich weiß das klingt doof, aber es ist uns bewusst, dass wir eine Band nur aus Typen sind. Wir lösen uns deshalb nicht auf, aber wir versuchen z.B. wenn wir aufs Booking von Konzerten Einfluss nehmen können, dass wir nicht ausschließlich mit Männern* auf der Bühne stehen. Oder wenn man ein neues Projekt anfängt, nicht nur die ganzen Dudes einzuladen, die man halt schon kennt. Letztlich ist die Punk-Szene nur ein Abklatsch der Gesellschaft, und hat den gleichen Mangel an Diversität… Aber man merkt in den letzten Jahren, dass sich da was ändert, also mehr Bands mit Frauen* unterwegs sind, was ich sehr positiv finde.
Ich habe bei euren Konzerten auch schon erlebt, dass Leute sich total unmöglich benommen haben, also Unverschämtheiten gepöbelt und Bierdosen geschmissen haben, und dabei so getan haben, als wären sie mit der Band irgendwie befreundet – dabei ist es wahrscheinlich eher Männlichkeit, was da als verbindendes Element behauptet wird.
Manchmal ist es für uns selbst auch schwierig, da eine Grenze zu ziehen. Denn ein bisschen machen wir uns diese Performance und diese Inhalte ja auch zu eigen. Aber dann ist man in Wirklichkeit eine andere Person, und verlangt vom Publikum, dass sie diesen Gedankensprung mitmachen nach `nem halben Kasten Bier – da bewegen wir uns halt auf dünnem Eis. Bierdosen werfen ist ja nicht unbedingt schlecht, kommt halt drauf an, auf wen geworfen wird.
Apropos Bierdosen werfen: ihr macht mit bei „Mülheim bleibt dreckig“ – ein Statement FÜR den Stadtteil, oder?
Ja, genau. Im Mülheimer Schanzenviertel sitzt die ganze Medienindustrie, von Harald Schmidt bis Stefan Raab, deshalb ziehen Leute aus dem Medienbusiness mit viel Kohle da hin, die es chic finden in einem abgeranzten Stadtviertel zu wohnen. Dem voraus gingen Stadtentwicklungs-Projekte wie „Mülheim 2020“, und dann greifen irgendwann die klassischen Gentrifizierungs-Mechanismen. Dagegen haben wir versucht, was zu singen, waren aber nicht furchtbar erfolgreich, wenn man sich den Stadtteil bzw. die Entwicklung anguckt. Andererseits gibt es Vernetzung, es treffen sich Leute aus dem Viertel und tauschen sich aus, versuchen sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam zu wehren.
In Berlin hat es zuletzt ja geklappt, Google aus Kreuzberg rauszuhalten. Man weiß natürlich nicht, ob dafür der Protest ausschlaggebend war, aber er hat Google sicher die Entscheidung erleichtert, einen anderen Standort zu wählen.
Es kommt immer drauf an, wie überzeugend das Drohpotenzial ist, dass man aufbauen kann. Da bestehen sicher Unterschiede zwischen Köln und Berlin, z.B. die Größe der Szene, Militanz. Aber ich bin grundsätzlich dafür, sich zu wehren! Je mehr Sand ins Getriebe geschüttet wird, desto langsamer geht es voran.
Stimmt es eigentlich, dass das Kölner Autonome Zentrum für einen Parkplatz platt gemacht werden soll?
Nee, für einen Park. Neben dem AZ wird grade das neue Kölner Stadtarchiv gebaut, das soll dann eingebettet sein in einen schönen Grüngürtel, und deshalb soll da wo jetzt das AZ ist Rasen eingesät werden. Das ist so eine Tradition in Köln, das alte AZ in Köln-Kalk sollte auch schon weichen, weil da ein Grüngürtel hin sollte. Also wenn man sich irgendwo in Köln einen Park wünscht, sollte man einfach dort ein Haus besetzen, dann stehn die Chancen ganz gut… Bis Ende 2019 ist das AZ jetzt safe, wie es dann weitergeht ist ungewiss. Wir laden alle Menschen ein, sich für den Erhalt des AZ einzusetzen. Zum Ende des Jahres wird es auch wieder Aktionen geben, also achtet auf Ankündigungen und kommt nach Köln.
Und was tut ihr gegen Bullen und Deutschland?
Wir haben ja in der Band alle die komplette Deutsch-Punk-Schule mitgemacht und bedienen so ein paar Themen, die darin wichtig sind, da dürfen natürlich Deutschland und Bullen nicht fehlen. Wir sind aber auch alle politisch aktiv, und dass Bullen in Deutschland ein Problem sind, ist ja nichts Neues, siehe verschärfte Polizei-Gesetze, die denen noch mehr Legitimation für ihre Gewalt geben sollen, oder dass es viele Fascho-Bullen und Verstrickungen der Polizei mit der extremen Rechten gibt. Man muss versuchen dagegen vorzugehen. Jede Person, die schon mal auf einer Demo mit den Cops konfrontiert war, weiß wie krass die zum Teil abgehen und ihre Macht missbrauchen. Was auf der Straße passiert, ist aber nur das eine, was auf der Wache passiert, ist häufig noch viel schlimmer. Und da sprechen wir nur aus der Erfahrung von uns weißen Kartoffeln. Was nicht-weißen Menschen passiert, ist weitaus krasser.
Gegen Cops geht also immer?
Dass die Bullen Feinde sind, war immer klar. Wir versuchen konsequent am Bild des hilfsbereiten Polizisten zu rütteln. Denn das sind sie nicht, sie sind mittlerweile ein eigenmächtiger politischer (rechter) Akteur. Ebenso versuchen wir, Leute dazu zu bringen sich einzumischen, wenn sie Aktionen der Bullen sehen, die nicht klargehen. Solidarisch sein mit Menschen die z.B. racial profiling über sich ergehen lassen müssen ist sehr wichtig, für diese Personen, aber auch damit die Bullen sehn, dass ihr Vorgehen nicht unwidersprochen bleibt. Leider gibt es auch außerhalb der Repressionsorgane mittlerweile einen krassen rechten Konsens und Sachen wie der NSU, das Rechte Netzwerk in der Bundeswehr oder die Verstrickungen des Geheimdienstes werden von der Mehrheit überhaupt nicht mehr als Skandal wahrgenommen.
Hast Du angesichts dieser Zustände auch manchmal das Bedürfnis, so offen sozial-arbeiterische Appelle in den Liedern zu machen? So wie z.B. ZSK das machen, die ja sehr offen an die Jugend appellieren, sich zu engagieren.
Wir bringen das eher in Ansagen auf Konzerten oder allgemein im Drum-herum der Band unter. Wir nutzen unsere Kanäle, um politische Projekte, die wir geil finden, zu spreaden, und erreichen damit mehr, als wenn ich das als Person rumschreiben würde. Dass das in unseren Texten so direkt nicht vorkommt finde ich OK. Oft finde ich Lieder, die so sozial-arbeiterisch rüber kommen aber auch gut, grade für junge Leute.
Wo wir über Authentizität reden: obwohl eines eurer Lieder diesen Eindruck erweckt, arbeitet ihr nicht wirklich unter der Woche in einer Bank, oder?
Nee. Also, es gibt Arbeitslose in der Band, zwei Sozialarbeiter, und unser Schlagzeuger hat jetzt grade einen japanischen Imbiss mit Freund*innen aufgemacht und ist jetzt also – Gastronom. In der Bank hat tatsächlich noch niemand von uns gearbeitet.
Das wird viele enttäuschen!
Ja, aber es musste mal die Katze aus dem Sack, langsam geht uns die ständige Nachfrage nach zinsfreien Punkerkrediten auf die Nerven. Wir sind das aber auch schon ganz ernsthaft gefragt worden und mussten dann feststellen, dass unser Humor nicht immer ankommt. Wirklich in der Bank arbeiten, ich weiß nicht. Ich glaub, da gibt’s nur volle Stellen, und so viel würde niemand von uns arbeiten wollen.
Arbeit hat man ja besser überhaupt keine, aber was tut man dagegen?
Naja, alle Menschen die hier leben, sind gezwungen einer Lohnarbeit nachzugehen, es sei denn sie haben geerbt oder leben sehr asketisch. Wir haben schnell festgestellt, dass Lohnarbeit nervt, man hat ja auch viel anderes zu tun, wenn man z.B. selbst was organisiert. Was man tatsächlich dagegen machen kann, auch wenn’s nicht ganz einfach ist: selbstorganisiert Strukturen aufbauen, wo man arbeiten und Geld rausholen kann. Das klappt nicht immer und in vielen Fällen ist es mit mehr Aufwand verbunden, als eine ganz normale Lohnarbeitsstelle. Da muss dann jede und jeder für sich entscheiden, was das geringere Übel ist.
Hier haben wir eine Frage aus unserer Leser*innenschaft: Wie geht ihr damit um, dass es Leute gibt, die die Ironie oder doppelte Ebene in dem, was ihr macht, total feiern, aber auch andere, die alles ganz wörtlich nehmen?
Am Anfang haben wir uns darüber keinen Kopf gemacht. Wir wollten einfach eine Punkband machen. Wie das ankommt, haben wir erst später gemerkt, als das alles größer wurde, und dann Leute total entsetzt waren, wenn sie uns vor dem Konzert beim Aufbauen gesehen haben und feststellen mussten, dass wir noch alle Zähne im Maul haben und überhaupt nicht diesem klassischen Straßenpunker-Bild entsprechen. Und die sich zum Teil auch verarscht fühlten, weil Punk in ihrem Leben wirklich das Wichtigste ist. Meist war es dann aber OK, wenn es geklappt hat, mit den Leuten drüber zu sprechen. Wir haben ja tatsächlich überhaupt nicht den Wunsch, eine Credibility als Straßenpunks aufzubauen, oder uns über Punks lustig zu machen. Außer vielleicht über unpolitische Leute.
Über wen kann man denn lachen?
Für mich ist es Teil von Punk, dass man über sich selbst lachen kann. Das erwarten wir auch von anderen. Wir versuchen immer den Spagat hinzubekommen: klar machen wir einerseits stumpfen Deutschpunk, aber andererseits sind wir auch eine linke politische Band und wollen das nicht in den Hintergrund drängen lassen. Manchmal ist das schon schwierig, wenn man auf der Bühne eine ernst gemeinte Ansage macht, und dann spielt man „Ey, die Hunde!“… Und leider gab es vor allem Anfangs immer ein paar Leute auf unseren Konzerten, die sich scheiße verhalten haben und z.T. auch Gewalt ausagiert haben. Die haben wir dann immer konsequent raus geschmissen, und über die Zeit hat es sich auch gebessert. Uns ist wichtig dass alle Menschen Spaß bei unseren Konzerten haben können, dafür unterbrechen wir dann auch gern mal ein Lied und spielen den Erziehungsberechtigten.
Wie geht’s denn weiter mit Mülheim Asozial?
Wir wollen dieses Jahr wieder mehr Konzerte spielen. Wir machen aber kein neues Album, weil wir glauben, dass alles gesagt ist, und ein neues Album nur schlecht werden kann. Aber es gibt neue Bands, in die wir involviert sind. Ich hab zwei neue Bands, Tanzpalast Eden und Rainbow Dash. Das ist beides musikalisch etwas anders als Mülheim Asozial. Ein Potpourri aus allen Punk-Genres. Aber beides politische Punkbands, die Lust auf Konzerte haben…
Das klingt gut! Merci für das Interview.
Vielen Dank, wir freuen uns auf viele weitere Ausgaben eurer feinen Zeitung!
– PS: Das nächste Interview dann bitte in eurer Villa auf Ibiza, dann erzählen wir auch Insider aus der schmutzigen Punker-Szene und bieten euch lukrative Deals an!