Ein Gespräch mit der Band Frittenbude über Rausch, Klimaproteste und ja: Straßen aus Zucker
SaZ: Euer aktuelles Album heißt »Rote Sonne«. Für was steht das?
Johannes: Die rote Sonne steht für alles, was in einem Menschen brennt und lodert. Die Liebe und die Sucht. Die rote Sonne soll aber auch für die Revolution stehen.
Martin: Die Sonne steht über uns. Sie brennt und zeigt uns den Weg.
Es gibt auch einen gleichnamigen Club in München.
Johannes: Ja, dafür steht der Titel auch. Vor zehn, 15 Jahren, als wir in München gelebt haben, wurde der gerade neu eröffnet. Wir waren dort dann häufig und haben ganz viele wichtige Acts zum ersten mal gesehen.
Das Album hat ja relativ lange gedauert. Brauchtet ihr eine schöpferische Pause?
Martin: Nach zehn Jahren quasi Non-Stop Album-Tour, Album-Tour haben wir mal eine Pause gebraucht. Wir wollten uns einfach neu inspirieren lassen. 2017 haben wir nur ein paar Festivals gespielt und uns dann auf die Songs konzentriert.
Habt ihr dabei anders gearbeitet?
Jakob: Ja. Wir wollten das Komponieren wieder mehr in den Alltag holen. Wir
haben daher am Anfang viel im Schlafzimmer oder Wohnzimmer Ideen entstehen
lassen und sind dann erst ins Studio. Das hat sich dann viel weniger nach
Arbeit angefühlt. Die Idee zum Song »Süchtig« ist beispielsweise um vier Uhr
früh in der Küche entstanden. Wir haben eine Kippe nach der nächsten geraucht.
Johannes: Wir haben uns dann auch ein Haus in Brandenburg gemietet und haben dort Skizzen entwickelt. Das war total zwanglos und nett. Wir wollten uns ein bisschen von der Musikindustrie lösen und das machen, was wir gut finden.
Martin: Auch beim Songwriting war das so ein bisschen »back to the roots«. Alles ein bisschen simpler und mit weniger Technik.
Das Album ist mal kryptisch, mal plakativ. Wut trifft auf Liebe, Sucht auf Klarheit und Aggression auf Lässigkeit. Sind das auch eure aktuellen Themen?
Johannes: Zu Beginn gab es das Konzept ›Sucht‹. Es sollte also ein richtiges Konzeptalbum werden. Sucht hängt aber so sehr mit Hass und Liebe zusammen, also ist es doch mehr geworden (Lacht). Wir wollten am Anfang auch nur zehn Songs auf dem Album haben. Wir konnten uns dann aber nicht wirklich entscheiden.
Eure erste Single »Die Dunkelheit darf niemals siegen« ist ziemlich auf die Fresse. Ist die Zeit der Schönfärberei vorbei?
Johannes: Man kann Sachen so verpacken, dass es nicht alle kapieren. Aber wir fanden, es ist wieder an der Zeit, mehr Parolen rauszuhauen. Und gewisse Sachen kann man auch nicht oft genug sagen.
Jakob: Der Song ist relativ schnell entstanden und dann wollten wir ihn auch schnell veröffentlichen. Promotion-technisch war das voll doof, aber wir wollten ihn veröffentlichen. Es mussten einfach gewisse Dinge gesagt werden.
Das Feature mit Jörkk Mechenbier ist das einzige des Albums. Wie kam es zustande?
Johannes: Jörkk ist ein alter Freund. Aber wir sehen uns nicht so oft. Wenn wir uns dann sehen, ist es immer sehr intensiv. Wir sind auch Fans von Love A. Das ist eine unglaubliche Lyrik, es sind viele Sachen, die man gerne selbst geschrieben hätte. Die Idee, einen Song zusammen zu machen, steht schon lange. Nun hätte fast schon wieder nicht geklappt. Es war der dritte Anlauf, als er zufällig in Berlin war. Jakob hat mich abgeholt, dann haben wir zusammen Jörkk abgeholt. Es war Sonntag morgen, er hatte nicht gepennt, kam ins Auto und war auch dementsprechend laut und hibbelig.
Die zweite Single »Süchtig«, die auch schon angesprochen wurde, stellt die Fragen nach notwendigen und überflüssigen Süchten. Wonach ist die Band Frittenbude süchtig? Worauf könnt ihr nicht verzichten?
Martin: Live-Konzerte. Deswegen macht es gerade auch wieder so Bock zu spielen. Im Studio zu sein, ist schön und gut aber ich sage immer, dass Frittenbude am Ende des Tages maximale Energie auf der Bühne entfaltet.
Jakob: Ich glaube auch, dass wir alle drei diesen Drang zur Eskalationen haben. Diese Suche nach der Nacht. Es tut zwar oft weh, aber es passiert trotzdem immer wieder.
Johannes: Die Suche nach dem Rausch.
Martin: Ohne Wahnsinn geht es nicht. Man muss das immer wieder neu ausloten. Das gehört zu Frittenbude dazu.
Was ja auch dazu gehört, ist Politik. Wir freuen uns total, Medienpartner der Tour zu sein. Was würdet ihr sagen, wie politisch sind eure Konzerte?
Johannes: Es ist schon ein Anspruch, bei den Leuten etwas zu hinterlassen. Natürlich durch die Texte, die oft politisch sind und auch durch Ansagen.
Jakob: Man muss aber auch sagen, dass wir nicht in erster Linie Politik machen, sonst wäre unsere Musik anders. Wir wollen schon erst einmal Musik machen, aber da Politik in unserem gesamten Alltag Thema ist, wird sich das auch immer wieder in den Texten spiegeln. Aber in erster Linie machen wir Musik und darum geht es.
In unserer aktuellen Ausgabe, an der wir gerade schreiben, geht es um Ökologie, Umweltschutz und was so dazugehört. Aktuell gibt es die »Fridays for Future«-Proteste. Ist das für euch ein Thema?
Johannes: Ich finde »Fridays for Future« bemerkenswert. Die Jugendlichen werden als eine Laptop- und iPad-Generation charakterisiert, die nur vor dem Bildschirm hockt und Fortnite zockt. Was sie zum Großteil wahrscheinlich auch tun, aber sie gehen eben auch auf die Straße und stehen für etwas ein. Wir hingegen denken, wenn wir bei Bio Company einkaufen, dann tun wir was für die Umwelt. Das ist ein ganz anderer Zugang.
Jakob: Die CDU hat jetzt gesagt, dass es gut und richtig sei, dass die Jugendlichen demonstrieren – aber bitte am Samstag. Das hätte ja gar nichts Rebellisches mehr. Was wäre das für eine Jugend, die ohne rebellisches Moment demonstrieren geht? Es gehört dazu, dass es auch etwas Verbotenes sein muss. Man muss irgendwo anecken.
Martin: Das Umwelt-Thema steht über allen Themen. Da geht es ja auch ganz viel um Gerechtigkeit. Wir verschmutzen die Erde hier in Deutschland und zeigen dann mit dem Finger auf andere Länder. Und laden dann unseren Müll woanders ab. Deswegen glaube ich, dass es höchste Eisenbahn ist, dass endlich ein neues Bewusstsein entsteht. Was bringt uns alles, wenn die Erde in 50 Jahren zum Teil nicht mehr bewohnbar ist? Stichwort Klimaflüchtlinge. Das wird dann alles nochmal um ein vielfaches krasser.
Frittenbude blickt mittlerweile auf eine lange Bandgeschichte zurück und ihr seid auch seit Beginn beim gleichen Label unter Vertrag. Habt ihr jemals mit dem Gedanken gespielt, alles an den Nagel zu hängen oder bei einem Major-Label zu unterschreiben?
Johannes: Klar haben wir schon überlegt, alles sein zu lassen. Das gehört dazu. Und es gab auch Angebote von Major-Labels. Das haben wir aber nie ernsthaft in Betracht gezogen.
Jakob: Aber natürlich kämpft man auch damit, wenn man sein Hobby zum Beruf macht. Wenn das dein Beruf wird, dann ändert sich alles. Es darf eben nicht nur darum gehen, Kohle damit zu verdienen, sonst macht man sich alles kaputt.
Martin: Die Kunst als Musiker ist, auf eine coole Art alt zu werden. Dass man in erster Linie gesund bleibt, weil sonst geht eh nichts mehr. Und dass man sich zweitens ständig weiterentwickelt. Wenn du kreativ stehenbleibst, ist das auch doof. Ich bin jetzt 33 und angenommen ich schaffe es bis zur Rente, dann sind das jetzt nochmal 30 Jahre, in denen ich Musik mache.
Johannes: Der Gedanke ist etwas utopisch, das bis zur Rente zu machen.
Thema Zukunft. Das letzte Interview von Straßen aus Zucker mit Frittenbude war vor zehn Jahren, zu unserer Gründung. Wo seht ihr die Band in weiteren zehn Jahren?
Jakob: So weit denke ich nicht voraus.
Johannes: Ich glaube, dann spielen wir im Sitzen (lacht) Aber hey, ich kann mich auch noch an das letzte Interview erinnern. Wir wussten ja, dass es Straßen aus Zucker gibt – damals noch über MySpace. Dann waren wir in Berlin auf einer Demo und da wurde die erste Ausgabe verteilt und mir drückte eine Person aus der Redaktion diese Zeitung in die Hand und ich sagte: ›Ey, das ist ja von mir!‹ – aber sie wollte es mir nicht glauben.
Vielen Dank für das Gespräch!