Talk To The Hand

Warum wir nicht mit Rechten reden (aber mit Opa Erwin manchmal schon)

„Man kann doch über alles reden“, heißt es ja immer, wenn es mal wieder Streit im Freundeskreis gibt – Appelle an Gespräche, Toleranz und Vertragen. Auch wir finden es gut, wenn man sich zuhört, miteinander diskutiert. Aber: Eben nicht mit allen und nicht überall. Mit AfD & Co. wollen wir keinen „Dialog auf Augenhöhe“ führen. Denn Meinungspluralismus hört da auf, wo Menschenfeindlichkeit anfängt. Daher: Talk To The Hand, Fundamentalist*innen dieser Welt!

Faschismus war als Kind schon scheiße

Dass die AfD eine extrem rechte Partei ist, kann man jeden Tag in der Zeitung lesen. Egal, ob auf geflüchtete Kinder an Grenzen geschossen werden soll, Menschen mit türkischem Migrationshintergrund als „Kümmeltürken“ und „Kameltreiber“ bezeichnet oder „nach Anatolien entsorgt“ werden sollen, oder ob der NS als „Vogelschiss“ abgehakt wird: Jeden Tag wird das Bild einer völkischen und antifeministischen, autoritären und nationalistischen Partei klarer.
Wenn man aber die AfD und andere Rechte als gleichberechtigte Gesprächspartner gelten lässt – wie in den letzten Monaten oft gesehen in Talkshows und Interviews – dann tut man so, als ob das alles normal ist. Ein Teil dessen, was man halt so denken kann. Und wenn diese öffentlichen Aussagen immer brutaler werden, dann wird immer Brutaleres sagbar – und damit auch denkbar. Noch vor einigen Jahren hatte die AfD „nur“ mehr Härte in der europäischen Krisenpolitik gefordert, mittlerweile ist ihnen fast jedes Mittel gegen Migrant*innen Recht. Und fast alle Parteien lassen sich von den Rechten treiben und verabschieden Gesetze, die vor zehn Jahren nicht vorstellbar gewesen wären. Das immer rechtere Gerede führt zu immer härteren Verhältnissen. Im Sommer 2018 ist man in der EU soweit, Menschen im Mittelmeer vor aller Augen ertrinken zu lassen, weil Rettungsschiffe nicht auslaufen dürfen. Diese Entwicklung funktioniert übrigens nicht erst seit gestern: Die Gewöhnung an die Nazis im letzten Jahrhundert hat sich auch über einige Jahre entwickelt.

Arschlöchern Einhalt gebieten

Klar ist: Nur weil etwas nicht gesagt wird, heißt das nicht, dass nicht rechts gedacht wird. Viele Leute haben „gelernt“, nicht auf offener Straße über Juden zu schimpfen, und tun es dann halt am Stamm- oder Abendbrottisch. Ihr Antisemitismus bleibt trotzdem brandgefährlich. Deswegen denken wir nicht, dass Vorurteile durch Tabus aus dem Weg geschafft werden können. Aber: Rechten Argumenten keinen Raum zu geben macht das Leben für Betroffene etwas leichter. Wenn sich nur ein einziger Mann aufgrund der #metoo-Kampagne nicht traut, eine Frau zu betatschen, dann ist schon viel gewonnen für diese Lady. Und vor allem verdeutlicht es, dass bestimmte Haltungen von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden (sollten). Und das ist gut für diejenigen, die unentschlossen oder jung sind und vielleicht überlegen, ob sie nicht doch mal beim netten, akzeptierten AfD-Ortsverband von nebenan vorbeischauen. Das ist dann – ganz nüchtern – ein Kampf gegen die Anfänge des Faschismus.

MiMiMiMiMi: Rechtes Rumopfern

Es gibt aber noch weitere Gründe, warum wir mit Hatern nicht reden wollen. Die Rechten können nämlich nicht nur andere niedermachen, sondern noch eines sehr gut: Opfer sein. Sie behaupten, dass sie von einer „linken Meinungsdiktatur“ unterdrückt sind, weil angeblich niemand mit ihnen spielen will. Dann ist die Rede von „Linksfaschisten“, die gegen die Meinungsfreiheit seien. Das ist aber Quatsch, denn natürlich können alle alles sagen, solange es nicht strafbar ist, und es wird ja auch jeden Tag in den Medien getan. Unterstützt man nicht aber ihre Vorstellungen, indem man ihnen die kalte Schulter zeigt, anstatt sich verbal miteinander warmzukuscheln? Nein, denn die Realität spielt für den rechten Opfermythos keine Rolle, er ist Teil der rechten Inszenierung als „Tabubrecher“. Ganz unabhängig davon, wie die Öffentlichkeit sie behandelt – solange sie nicht selbst an der Macht sind, werden sie sich immer als Underdog darstellen. Und wenn sie an der Macht sind, blühen uns garantiert massive Einschränkungen der Meinungsfreiheit: siehe Türkei, Ungarn, Österreich, Deutsches Reich.

Demokratwie?

Die Forderung, man müsse alles sagen dürfen, wird bei all dem oft mit „demokratischen Standards“ begründet, die es einzuhalten gälte. Was für ein Bullshit! Wenn jemand das Abknallen von Menschen an Staatsgrenzen fordert, gegen Menschen mit Behinderung hetzt oder für nationalen oder religiösen Fundamentalismus eintritt – dann ist genau das antidemokratisch. Und dann verteidigen eigentlich die, die sich dagegen stellen, tatsächlich die Freiheit. Denn es ist eben nicht egal, was der Inhalt von Argumenten in der Öffentlichkeit ist. Es gibt – offensichtlich – Inhalte, die grundsätzlich menschenverachtend sind. Der rechte Kampf gegen das gute Leben ist aber nicht mit demokratischen Formen zu rechtfertigen. Wenn in einer Diskussionsrunde in Schule, Stadtteil oder Uni also demnächst wieder „ganz demokratisch“ auch die AfD oder die „Junge Alternative“ mitdiskutieren sollen – dann gilt es, sich dagegenzustellen: die Einladung zu stoppen; gut vorbereitet selbst auf dem Podium zu sitzen; ein Flugblatt mit eigenen Positionen am Eingang zu verteilen; den AfDler mit lauten „Mörder, Mörder!“-Rufen begrüßen; Torten werfen; Fragen stellen. Im öffentlichen Raum gibt es viele Aktionsformen, um deutlich zu machen: Mit Nazis reden, das ist ein Skandal.

Antifa heißt Aufklärung

Heißt das aber, wenn Onkel Erwin auf der Familienfeier wieder eine Obergrenze für Geflüchtete fordert, dass wir ihm den Schweinebraten an den Kopf hauen? Wenn die Mitstudentin von sich sagt, dass Frauen an den Herd gehören, sie sofort Bekanntschaft mit unserer Faust machen sollte? Nein. Im Gegenteil: Wir machen einen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Gesprächen und sind dafür, rechte Einstellungen im Alltag herauszufordern. Also mit denen reden, die sie vertreten. Denn Menschen sind ja nicht von Natur aus Rassistinnen, sondern sie werden erst dazu. Und vor allem können sie sich ändern. Ob sie das wollen, das muss man im Gespräch klären: Ist jemand offen für andere Argumente? Kann sie zuhören, oder ist die Meinung schon von vornherein klar? Lässt er sich auch auf Fragen ein? Natürlich gibt es Leute, die schon immer „wussten“, dass Juden die Welt regieren, Weiße überlegen oder Schwule abartig sind. Mit Leuten, die geschlossene Weltbilder haben, lohnt das Diskutieren nicht. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann macht es Sinn, bei einem dummen Spruch gegen „die Flüchtlinge, die uns die Wohnungen wegnehmen“ nicht gleich dem Typen im Bus beherzt anzuspucken, sondern mal zu fragen: Ob es da wirklich die Erfahrung des konkreten Geflüchteten gab, der ihm die Wohnung wegschnappte (Nein). Ob die Mieten denn niedriger waren, bevor Geflüchtete nach Deutschland kamen (Nein). Ob das Ganze vielleicht auch mit einer verfehlten staatlichen Wohnungspolitik zu tun hat (Ja). Und was man denn selber wohl tun würde, wenn die Bomben auf Berlin hageln oder die Kinder Hunger leiden (Fliehen). Dafür ist es natürlich gut, auch inhaltlich was auf dem Kasten zu haben und sich mal zu trauen, in einer Diskussion den Mund aufzumachen – und das kann man beides lernen. Es reicht eben nicht, als Antifaschistin im „NZS BXN“-Shirt gut pöbeln zu können. Man sollte auch erklären können, warum offene Grenzen oder gar ihre Abschaffung wünschenswert sind, oder warum Zweigeschlechtlichkeit eine schlechte Idee ist. Anregungen dafür finden wir in Gesprächen mit Freund*innen, wo wir zum Beispiel Gesprächsszenarien durchspielen können, in Argumentationstrainings, in der SaZ…

Antifa is winning?

Um den aktuellen Rechtsruck zurückzudrängen, brauchen wir im öffentlichen Raum also nicht mehr Gerede mit den Rechten, sondern ganz unterschiedliche Strategien: Aufklärung, um zu verstehen was die Rechte so macht; Wissen, um die eigenen Haltungen klar zu kriegen; Verhinderung von Veranstaltungen mit allen Mitteln, die es gibt – Sitzblockaden, Gegendemos, direkte Aktionen, die eine oder andere Tomate. Dass dieses Zusammenspiel aus Zivilgesellschaft und uns, den sogenannten radikalen Bewegungen, gut funktionieren kann, zeigen Gegendemos immer wieder. Und dass wir Erfolg gegen rechts haben können auch. Erst vor einer Weile hat zum Beispiel einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Rechten in den USA, Richard Spencer, eine geplante Info-Tour an Unis abgesagt. Seine Erklärung: Die antifaschistischen Gegenproteste im Vorfeld seien zu militant und erfolgreich. Das Ergebnis: Einige Veranstaltungen weniger, auf denen jemand Hass unter die Leute bringen kann. Hoffen wir, dass Spencers enttäuschte Aussage auch für Europa gilt: „Antifa is winning“.

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