„Wo bleibt die RAF, wenn man sie braucht?“ Martin Sonneborn schaltet sich im SaZ-Interview in Merkel-Nachfolgedebatte ein

(Bild: SMAC-Film)

Ein Gespräch mit dem Satiriker Martin Sonneborn (Die Partei, MdEP, Herausgeber Titanic)

(Vorabdruck aus der Straßen aus Zucker #14, hier zur gesamten Ausgabe als pdf)

Herr Sonneborn, wir sind kritisch, haben aber auch ein paar harmlose Fragen mittendrin eingebaut, quasi als Wohlfühlinseln. Und steigen mal mit einer Schmeichelei ein: Wir nehmen die „Partei“ als einen zentralen antifaschistischen Akteur wahr, ihre Plakate beziehen oft klar Stellung. Und wenn man sich den Erfolg anderer Satireparteien in Europa anschaut, gibt es ja auch gute Gründe, den Platz links zu besetzen. Aber müsste man, wenn es gegen die Faschisierung geht, nicht zu stärkeren Mitteln als Klamauk und Satire greifen?

Doch, natürlich. Aber wird das mit den Wohlfühlinseln auch gedruckt?

Mal sehen. Und Wohlfühlinseln sind uns die liebsten Inseln, wir sind ja die Straßen aus Zucker und kämpfen für die Freundlichkeit.

Ein interessanter Ansatz in der deutschen Publizistik. Aber zurück zu Eurer Frage: Natürlich bedarf es anderer Mittel der Auseinandersetzung. Aber die Mittel müssen auch andere einsetzen. Leo Fischer meinte neulich, Satire sei die einzige Kunstform, die permanent gefragt wird, welche Wirkung sie erzielt. Wir arbeiten mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. In anderen Funktionen muss man mit ernsthaften Mitteln arbeiten.

Angenommen, die AfD kommt in die Bundesregierung – wieviel Satire verträgt der Faschismus? Könnte die Titanic nicht als liberales Feigenblatt fungieren, von wegen: Schaut, wir sperren die nicht ein? Weil Satire dann doch irgendwie harmlos ist?

Ich glaube nicht, dass Titanic als Feigenblatt funktionieren würde. Dafür ist sie zu klein. Aber ich glaube auch nicht, dass ein modernes Regime das heute braucht.

Naja, die modernen Autoritären von AfD und Co. brüsten sich ja schon damit, die Meinungsfreiheit zu stärken – bis sie halt an der Macht sind.

Das habe ich von der AfD nicht zur Kenntnis genommen, ich sehe nur Zensurmaßnahmen. Sie sind natürlich eine satirefreundliche Partei, da jeder Schwachkopf, der eine provozierende Äußerung in die Welt setzt, danach behauptet, das sei Satire gewesen. Aber die Zensuranträge, Subventionen zu kürzen, von der re.publica bis zu kleinen Theatern, sind ja sehr augenfällig.

Ist eigentlich nach Ihrer Meinung faschistische Satire möglich?

In der Geschichte gibt es keine Beispiele dafür und die Wissenschaft ist sich darüber einig, dass Satire nur von Unten nach Oben, aus der Position des Schwächeren, funktioniert.

Weil Sie von Wissenschaft sprechen: Sie wiesen in Ihrer Magisterarbeit nach, dass Satire „absolut keine Wirkungsmöglichkeiten mehr“ hat. Stimmt das noch?

Wir haben das dann später mit Titanic komplett widerlegt, unter anderem mit der WM 2006, bei der Tagesthemen und Frankfurter Allgemeine Zeitung behaupten, wir hätten sie nach Deutschland geholt. Das hat dem Land ja sogar ein kleinen Babyboom beschert (Anmerkung der SaZ: Bei der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2006 an Deutschland versuchte das Titanic-Magazin im Rahmen einer Satireaktion die Entscheidung durch einen Bestechungsversuch mit Schwarzwälder Schinken und einer Kuckucksuhr zu Gunsten Deutschlands zu beeinflussen).

Aber dann sind Sie ja auch für das „Sommermärchen“ 2006 verantwortlich, das lastet ja dann doch schwer auf den Schultern.

(lacht) Ja, deswegen schauen wir immer nach vorn und nie zurück.

Einer Freundin erzählte ich von den Blockadeplänen eines AfD-Parteitags, ob sie nicht auch kommen wolle. Nee, diese Formen wären veraltet, heute bräuchte es was Witziges, das was die „Partei“ mache. Sind Blockade und Protest wirklich veraltet?

Nein, die haben ihre Berechtigung, ich habe zwar keine Lust mit 100.000 Leuten irgendwo herumzudemonstrieren, aber ich finde es auch mutig, sich an einer Sitzblockade in Sachsen – überhaupt irgendwas zu organisieren in Sachsen, in diesem failed state – zu beteiligen. Wir haben ja auch in der „Partei“ etwas radikalere linkere Kreise. Ok, das sind jetzt alles keine RAFler…

…(lachend) Das ist Ihre erste Assoziation, wenn Sie an radikale Linke denken?

Naja, ich frage ab und zu: Wo bleibt die RAF, wenn man sie braucht? Gerade wird Friedrich Merz medial als wenig umstrittener Kanzlerkandidat präsentiert. Ein Mann, der bei Blackrock Aufsichtsratschef für Deutschland ist und mit den Cum-Ex-Geschäften Milliarden für seine Firma gemacht hat. Da wünscht man sich durchaus eine bewaffnete Opposition, damit das nicht ganz ohne Einspruch vor sich geht. Aber ich bin leider zu alt, um in den Widerstand zu gehen. Doch ich wollte darauf hinaus – das wird nachher schwer, das abzutippen –, dass ich hohen Respekt vor den Leuten habe, die sich z.B. in Sachsen mit Pegida auseinandersetzen, weil sie auch die Staatsgewalt, die Polizei gegen sich haben und Richter, die mit der Gegenseite sympathisieren, was sich dann auch in den Urteilen zeigt. Doch zusammengefasst: Jeder soll die Protestformen wählen, mit denen er Spaß hat. Oder sich Wirkung verspricht.

Sie haben sich neulich auf der Buchmesse als Graf Stauffenberg verkleidet, um bei Bernd Höcke eine Aktentasche abzustellen. Als das Jutta Ditfurth kritisierte…

...Jutta von Ditfurth wohlgemerkt. Daran erinnern wir gern…

…Sie hat ja den Adelstitel abgelegt. Also als Jutta Ditfurth sie kritisierte, dass Sie Stauffenberg, einen Faschisten und Antisemiten, als Widerstandskämpfer präsentieren, stellten sie dies mit rechter Kritik gleich.

Es gibt eine verknöcherte altlinke Kritik, die sich mit Unwichtigem auseinandersetzt, warum investiert sie ihre Kräfte nicht im Kampf gegen Rechts?

…naja, da ist sie ja seit Jahrzehnten vorne mit dabei…

…aber die Aktion hat doch Stauffenberg in keiner Weise positiv aufgewertet.

Kurze Frage zum Schluss: Mit Rechten reden, ja, nein, vielleicht?

Ja, z.B. beim Waterboarding… Nein, ich weiß es nicht, ich tendiere eher dazu, dass das Zeitverschwendung ist. Wahrscheinlich fühlen die sich auch nicht zu Unrecht aufgewertet, ich glaube, es ist sinnvoller, sie mit einem guten Witz zu ärgern.