„Die gefährlichste Gang der Stadt ist die Antifa“

So hyperventilierte einst Heinz Buschkowsky als rechts-konservativer SPD-Bürgermeister von Berlin-Neukölln. Hatte er damit ausnahmsweise mal Recht? Geht so. Denn tatsächlich gibt es „die“ Antifa genauso wenig als einheitliche Gruppe oder Bewegung wie „den“ schwarzen Block. Eine Straßengang ist sie auch nicht. Die Antifaschistische Aktion ist vielmehr ein vielseitiger politischer Kampf gegen die Faschist*innen in den letzten 90 Jahren – inklusive Diskussionen um die richtige Kritik, um Strategien und Konzepte.

Wo Antifa herkommt

Die Anfänge der Antifa liegen in den 1920er und 30er Jahren. Kommunistische und sozialdemokratische Gruppierungen organisierten damals einen „roten Massenselbstschutz“ gegen die Nazis und setzten damit die antifaschistische Bewegung in Gang. Die Machtübergabe an die Nazis zu verhindern wurde später zum wichtigsten Ziel – ohne Erfolg. In den 1960er und 70er Jahren richteten sich linke Bewegungen in der BRD gegen die weiterhin vorhandenen faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft und manche rechte Dorfkneipe verschwand. So richtig fame wurde Antifa aber erst wieder mit der autonomen Bewegung der 1980er und als in Folge der deutschen „Wiedervereinigung“ 1990 ein nationalistischer Taumel in weiten Teilen der Bevölkerung ausbrach, der von Rostock-Lichtenhagen bis Mölln in Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte und in rassistischen Morden gipfelte. Die antifaschistische Bewegung wurde größer und die Gruppen diverser. Naziveranstaltungen wurden militant verhindert und Geflüchtetenunterkünfte gegen angreifende Rassist*innen verteidigt. Dazu haben Antifas immer viel recherchiert, um Nazis und ihre Organisationen outen zu können. Gleichzeitig wurden Bündnisse mit bürgerlichen Gruppen aufgebaut und Ansprechpartnerinnen für die Presse zur Verfügung gestellt. An großen Demos beteiligten sich sowohl Bürger*innen mit Peace-Fahnen als auch Antifas mit Helm und Sturmhaube. Begleitet von dauerhaften Auseinandersetzungen über die richtige Organisierung und Ausrichtung entstanden bundesweite Strukturen, aus denen sich später auch die Antifa von heute entwickelte. Entgegen vornehmlich weißen Gruppen gründeten migrantische Jugendliche die Antifaşist Gençlik (Antifaschistische Jugend) und gegen Macker-dominierte Gruppen organisierten sich Aktivistinnen in feministischen Antifa-Gruppen (Fantifa). Spielte sich das alles zunächst vor allem subkulturell in gesellschaftlichen Nischen ab, wurden Antifa-Gruppen in den 1990er Jahren zunehmend auch pop-kultureller, um ein breiteres Spektrum anzusprechen: schmissige Transpi-Sprüche, Konzerte und Partys, Antifa-Mode. Fast überall gab es fortan auch Jugendantifa-Gruppen. Es war also einiges los, und zwar mit Erfolg: Wo Antifa-Gruppen aktiv waren, gelang es teilweise, dass sich die Nazis ganz zurückzogen.

Antifa – mehr als gegen Nazis!?

Mit dem „Aufstand der Anständigen“ im Jahr 2000 geriet die linksradikale Antifa allerdings in die Krise: Der von SPD und Grünen regierte Staat sowie bürgerliche Gruppen etablierten, teils aus Überzeugung, teils aus Sorge um das Image des deutschen Wirtschaftsstandorts, einen staatlich getragenen Antifaschismus – gegen Nazis, aber für Deutschland. Linke Antifaschist*innen mussten ihre eigene Funktion hinterfragen. Denn natürlich ist es gut, wenn Menschen gegen Nazis sind. Aber wenn sie gleichzeitig nicht bereit sind, die Grundlagen von Nationalismus und Kapitalismus zu hinterfragen, dann bleiben die Ausgangsbedingungen für den Faschismus bestehen. Antifa war und ist immer auch Teil eines Kampfes für eine befreite Gesellschaft und richtet sich auch gegen den gesellschaftlichen Normalzustand mit all seinen Scheußlichkeiten. Gerade deshalb kann Antifaschismus nicht innerhalb der Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft verbleiben. Er muss sich vielmehr an den Bedingungen für eine grundsätzliche Befreiung orientieren.

Krasse Zeiten. Und alles muss man selber machen.

 Und wie sieht‘s heute aus? Tja. Eine grundsätzliche Befreiung von allem Schlechten steht offensichtlich gerade weder vor der Tür, noch groß zur Debatte. Stattdessen gewinnen Rechte im Web, in Talkshows und in Regierungen immer mehr Raum. Engagement gegen diesen Rechtsruck bleibt wiederholt an Linken hängen, obwohl man es eigentlich auch von Liberalen erwarten müsste. Die Bedingungen für erfolgreiche Antifa-Politik haben sich verändert und der Ernst der Lage scheint nicht klar zu sein. AfD und Co. gelten vielen immer noch als Rechtspopulist*innen, obwohl sie ein Programm vorantreiben, das eher einem modernisierten Faschismus gleicht. Und auch die Strategie von Parteien à la CSU, rechte Positionen ins eigene Programm zu übernehmen, zieht nicht mehr. Und all das treibt trotzdem nur selten Leute auf die Straßen. Von einer autoritären Politik, die Migrant*innen einfach im Mittelmeer ertrinken lässt und gegen Geschlechter-Gleichberechtigung wettert, fühlen sich offensichtlich nur wenige herausgefordert. Somit fehlen Antifaschist*innen die großen Bündnispartner*innen. Das klingt zwar alles nicht gerade ideal, aber Strategien gegen die Rechten können auch erfolgreich sein: Ob Antifas es nun in großen Bündnissen schaffen, dass auch bürgerliche Gruppen ihre Aktionsformen akzeptieren und sich beispielsweise an Blockaden beteiligen oder ob sie dezentral und militant die Anfahrt zu Nazi-Demos verhindern – machbar ist beides allemal.
Um mehr Menschen gegen Rechts ins Boot zu holen, muss antifaschistische Politik heute umdenken. Neben alten Bündnispartner*innen wie Gewerkschaften und Parteien giltes auch all die Menschen anzusprechen, die die autoritären Tendenzenbemerken oder direkt davon betroffen sind. Das sind vielleicht Geflüchteten-Initiativen, hedonistische Raver*innen oder engagierte Jugendliche. Ganz sicher aber auch Migrant*innen-Organisationen, deren Stimmen Antifas etwa im Zuge der NSU-Morde nicht hörten. Dabei sollte bei Bündnissen tatsächlich ein Gleichgewicht gefunden werden: Einerseits gilt es offen zu sein für Positionen, die auch mal ganz anders sind als die eigenen, andererseits gilt es, nicht die radikale Perspektive auf das schlechte Ganze zu verlieren. Ob dabei im einzelnen Fall militanter Barrikadenkampf, öffentlichkeitswirksame und symbolische Aktionen oder Aufklärungsarbeit die richtigen Mittel sind, das müssen Antifas immer wieder neu diskutieren und ausprobieren.

Zum Weiterlesen:

  • Mirja Keller u.a.: Antifa. Geschichte und Organisierung, 2011,
    12 Euro.
  • Antifaschistisches Infoblatt (online)
  • Bernd Langer: Antifa – Geschichte einer linksradikalen Bewegung,
    2014 & Kunst und Kampf, 2016, jeweils etwa 19 Euro.
  • Herausgeber*innenkollektiv: Fantifa: Feministische Perspektiven
    antifaschistischer Politik, 2013, 13 Euro.
  • Tipps&Tricks für Antifas – http://tippsundtricks.blogsport.de, Neuauflage 2017 für 5 Euro beim Unrast-Verlag.

Wenn ihr Lust habt, euch mit anderen zusammenzuschließen und gemeinsam Antifa-Politik zu machen, dann haben wir hier ein paar Dinge zusammengetragen, auf die ihr achten könnt:

  • Member of the famous Antifa: Sucht euch Leute, die Lust haben
    mit euch antifaschistisch aktiv zu werden.
  • Sucht euch einen Raum, in dem ihr euch regelmäßig treffen könnt, um euch auf Demos oder anderes vorzubereiten.
  • Überlegt euch, was ihr als Gruppe bei euch vor Ort mittel- und langfristig erreichen möchtet. Vielleicht steht mal wieder ein AfD-Infostand in der Fußgängerzone an und möchte abgeschirmt werden? Ein Landrat redet viel rechten Scheiß und freut sich über ein Transparent vor seinem Büro? Ein großes Unternehmen macht Geschäfte mit der Abschottung gegen Migrant*innen und wurde noch nie mit einer Flugblattaktion gewürdigt? Na dann…Alle Ebenen: Die Bandbreite möglicher Antifa-Aktionen istgroß. Und so sollte sie auch ausgeschöpft werden! Empfehlen sichetwa für die Blockade eines Nazi-Aufmarschs eher Sonnenbrillen und schwarze Regenjacken, bringt es an anderer Stelle vielmehr„zivil“ aufzutreten. Es ist eure Taktik, wählt sie bewusst!
  • In die Presse! Auch wenn linker Protest und rechte Bewegungen gerade mal wieder in einem Artikel gleichgesetzt worden sind, Medien sind nicht der Feind antifaschistischer Organisierung. Stellt vor allem vor Aktionen eine (anonyme) Mail-Adresse oder Telefonnummer für Journalist*innen zur Verfügung, und sucht aktiv den Kontakt zu euren Medienvertreter*innen vor Ort. So reden sie mit euch, statt nur über euch.
  • Vernetzung: Ob bei euch vor Ort, in der weiteren Region oder gleich bundesweit – für jedes Vorhaben, ob Einzelaktion oder langfristige Kampagne, gibt es mögliche Bündnispartner*innen.
  • Vernetzt euch, denn gemeinsam seid ihr stärker! Viele Antifas organisieren überregionale Antifa-Camps, bei denen ihr viele Gleichgesinnte treffen könnt.
  • Seid selbstkritisch: Falls euer Zusammenschluss etwa nur aus weißen Mittelstand-Kids besteht, fragt euch ruhig, ob ihr womöglich Barrieren für andere Leute aufbaut, die euch selbst gar nicht auffallen.
  • Schützt euch und eure Struktur: Der Staat und auch Nazis sind immer interessiert daran, was Antifa-Gruppen so treiben. Wer in der Gruppe aktiv ist, das müssen also nicht alle wissen. Vielleicht wolltet ihr euch eh schon immer mal ein cooles Pseudonym zulegen? Informiert euch über Repressionen und überlegt euch, wie ihr im Fall der Fälle für einander da sein könnt. Immer eine gute Adresse ist die Rote Hilfe e.V.
  • Achtet auf euch und eure Freund*innen: Antifaschismus ist wichtig, kann aber mitunter auch viel Energie kosten. Ihr könnt in regelmäßigen Emo-Runden darüber sprechen, wie es euch mit der politischen Arbeit geht oder über das, was auf der letzten Demo passiert ist, und euch gegenseitig unterstützen. Das hilft auch die Motivation zu behalten weiterzumachen.
  • Informiert euch über sichere Kommunikation. E-Mail-Verschlüsselung mit „PGP“ oder die Messenger-Alternative „Signal“ könnt ihr euch mit minimalem Aufwand aneignen.
  • Hin und wieder lohnt es sich, den einen oder anderen Euro bei einer Soli-Party oder einer inhaltlichen Veranstaltung einzusammeln. Stoff für Transparente, Farbe, Plakate – all das muss nun mal auch bezahlt werden. Stiftungen oder die ASten an Unis geben auch manchmal Geld für sinnvolle politische (Hochschul-)projekte.