Der SaZ-Emo-Talk
SaZ: Ihr singt: „Wir distanzieren uns nicht von unseren autonomen Fans“. Musstet ihr das nach Hamburg, hört mittlerweile der spaßige Bezug auf Linksradikales auf?
Testo: Nein, aber wir singen auch nicht: Zündet Autos an, dann wären wir vielleicht häufiger gefragt worden.
SaZ: Wie wurdet ihr denn politisiert?
Testo: Ich bin überhaupt nicht politisiert worden, bin in Meck-Pomm aufgewachsen, fand schon relativ schnell Nazis uncool und war dann erst Punkrock und dann HipHop zugeneigt. Ich glaube, das war das erste Mal, dass für mich so Bauch-Linkes klar wurde: Alle Menschen sind gleich, niemand soll diskriminiert werden … Aber ich schreibe auch heute nicht meine Musik nach einem Theoriegebäude, es ist dabei nicht mein Anliegen, den Soundtrack für die linke Jugend zu machen. Ich will schon politisieren, aber ich hab gerade eher mehr Fragen als Antworten.
Grim104: Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und da gab es dann die eine linke politische Gruppe, die ich als total lustfeindlich wahrgenommen habe. Das waren so moralisch überlegene Superlinke.
SaZ: Ich kenn solche Leute gar nicht, wer hat denn gerade in der radikalen Linken die festen Antworten außer das Dagegensein, den Standpunkt der Kritik? Wir erleben viel Ratlosigkeit, wie man weiter weitermachen soll angesichts des rechten Durchmarschs. Wo sind denn die, die alles wissen?
Testo: Das Bild bildet sich wohl einfach durch Leute raus, die bei FB schreiben: Positioniert Euch jetzt mal dazu!
SaZ: Unsere neue Ausgabe beschäftigt sich mit Gefühlen in Zeiten der kapitalistischen Produktionsweise. Ist Musik die Sphäre der Gefühle? Wie spielen die im Rap eine Rolle?
Grim104: Was auf jeden Fall im Rap nicht stattfindet ist so etwas wie Zweifel, „Fühle ich mich gerade hier wohl?“ usw. Auch Schwäche spielt keine Rolle. Dass man nicht die ganze Zeit performen kann, überhaupt das Gefühl der Uncoolheit und des sich abgemeldet oder bescheuert Fühlens, das sind auf jeden Fall die Gefühle, die wenig Platz finden.
SaZ: Aber macht ihr da mit Songzeilen wie „Euer Rap geht Frauen unter die Haut? (Schön)Twilight tut’s auch!“ nicht mit?
Testo: Ich würd das heute nicht mehr so schreiben. Natürlich soll Gefühl im Rap vorkommen, aber das ging gegen gespieltes Gefühl und da sag ich: Lieber ein guter Song darüber, dass man der Krasseste ist als schlechte Emo-Songs. Ganz grundsätzlich ist beim Kunstmachen das Gefühl das Entscheidende und was man stattdessen heute bei 80% des Rap mitkriegt ist der Soundtrack zum Christian Lindner-Startup-Mindset. Also performen, keine Schwäche, also Schrott. Aber dafür kommen ja jetzt wir. Und ich finde es gerade gut, wenn das Rap-Künstler dann wirklich zeigen, dass sie schwache, unsichere Momente haben.
Diese Instagram-Welt kotzt mich an, in der alles geleckt und glattgelutscht ist und hadern, straucheln, zweifeln, uncool, unsicher sein gibt es da eigentlich nicht und wenn ich das fühle, bin ich irgendwie unnormal. Das führt einfach dazu, dass man dann irgendwann depressiv wird, weil man den traurigen, schwachen Anteil seiner Person nicht mehr traut auszuleben. Ein erfolgreiches Leben ist immer das glückliche, entspannte Leben und alles andere darf es nicht sein. Und wenn ich das nicht habe, liegt es an mir, liegt das an mir persönlich, dann muss ich mehr Yoga machen.
SaZ: Wenn man sich aber nun Testo oder Zugezogen Maskulin nennt, geht dann das Nicht-Schwächezeigen mit dem Selbstbild nicht einher?
Grim104: Naja, den Namen haben wir uns ja wegen Westberlin Maskulin gegeben und nicht deswegen, weil ich jetzt der total maskuline Typ bin. Es macht mir ja auch Spaß, mich auf der Bühne feminin zu bewegen und das damit zu brechen.
Testo: Aber es macht auch total Spaß auf der Bühne, sich total übermaskulin zu bewegen, um Denkprozesse anzuregen. Ich sehe mich dem maskulinen Geschlecht zugehörig, aber daraus leite ich keine Handlungsanleitung ab, so: Mann muss so oder so sein, sondern Du kannst so sein, wie Du möchtest.
Grim104: Jetzt haben wir aber natürlich auch das Glück, dass wir uns in recht aufgeklärten Milieus bewegen und zwischen so Rollen switchen können. Gerade wenn man über Rap spricht, muss man aber auch über Milieus sprechen, in denen nicht zulässig ist, einfach zu sagen, dass man sich auf der Bühne gerne feminin bewegt. Da genießen wir einen totalen Luxus. Und natürlich gibt es eben auch Momente – ich will jetzt nicht zuviel deep talk machen –, in denen mir zum Heulen zu Mute ist und ich das nicht zeig’.
SaZ: (Lacht) Schau, wie gut sich das anfühlt, wenn man das sagt!
Grim104: (Lacht) Naja, das werd ich jetzt auch nicht in dieser Therapiestunde mit der Straßen aus Zucker rauslassen.
Testo: Ich muss auch sagen, dass ich lange Zeit so durchs Leben ging, Mann muss hart sein, keine Schwäche zeigen und es damit mir auch irgendwann total schlecht ging. Und als dann Bushido oder auch Fler sagten, dass sie unter Depressionen leiden, war mir das in der damaligen Situation echt wichtig. Aber im Rap gibt es ja immer dieses bipolare: Ich bin der Krasse, ich bin aber auch melancholisch. Vielleicht bricht das also damit auch nicht wirklich.