Ein Interview mit Johnny Bottrop, dem Gitarristen der Terrorgruppe über Affen, Weihnachtsbäume und Gentrifizierung
SaZ: Das Cover eures neuen Albums ziert ein Selfie eines Affen. Sind die Urheberrechtsklagen mit dem Bild geklärt oder droht euch der finanzielle Ruin, wenn der Affe doch noch klagt?
Johnny: Auf den Affen-Selfie sind wir tatsächlich deswegen gestoßen, weil der Urheberrechsstreit im Internet so herrlich hochgekocht ist: Fotograf gegen Wiki-Commons, Peta gegen den Fotografen, Peta gegen Wiki-Commons… und bis heute eigentlich immer noch ungeklärt ist und wohl auch für immer und alle Zeiten ungeklärt bleiben wird. Das ist für mich als Musiker natürlich besonders interessant: Wir Musiker gelten ja immer als die Bestohlenen: Niemand klaut beim Gemüsehändler die Bananen oder beim Autohändler den neuen Mercedes, aber alle nehmen sich umsonst die MP3s der Musikerzeuger… Stimmt so natürlich heutzutage garnicht mehr … mittlerweile werden die Musiker ein wenig besser an Online-Geschichten beteiligt, aber Einige leiden tatsächlich noch an den Nachbeben der digitalen Revolution. Daher fand ich es lustig und ein ironische Wendung mal jemanden anderes, der auch Urheberrechte beansprucht, so ungestraft beklauen zu dürfen, einen Fotografen oder die selbstermächtigten Vertreter eines Affen. Der Affe, der das Foto gemacht hat, gilt aber nicht als vollwertige juristische Person oder wie das heißt. Das Bild wird für immer und alle Zeiten Creative Commons bleiben. Und ist auch mal ganz nebenbei und vor allem eins: ein total fantastisches Plattencover. “Das ist es!” dachten wir nur noch.
Und dann kamen auch noch einige günstige Begleitumstände dazu. Wir haben überlegt, was passt zu dem Affenfoto? Welcher Albumtitel? Na ja… Band aus Berlin – Hauptstadt – die Bundesregierung im Bezirk eehhh… Tiergarten. Der Tiergarten – “TG” – die Terrorgruppe. Alles passte. Und dann war auch noch ausgerechnet in Berlin-Tiergarten eine Ausstellung zur Kultur der Affen angekündigt, im HDK. Und zur Krönung ist seit dem 4. Februar 2016 auch noch das chinesische Jahr des Affen angebrochen. Man merkt wir sind auf der Erfolgsschiene. (lacht) Wir haben Rückenwind. Alle Affen sind mit uns! Und auch beim nächsten Album werden wir sicher einige Motive aus der “Kultur der Affen” übernehmen.
SaZ: Da wird es dann noch affiger? Oder kommt ein Affenmusical?
Johnny: Das nächste Album wird ganz anders, aber bestimmt gibt`s auch einen Song zum Thema. Für diese Platte jetzt hatten wir ein Lied, das noch keinen Namen hatte. Das haben wir dann natürlich – was sonst – “Tiergarten” genannt. Es dreht sich allerdings hauptsächlich um Bier. Biergarten … Tiergarten … passt.
SaZ: 2013 habt ihr euch als Terrorgruppe ja wiedergefunden. Wie kam es dazu?
Johnny: Wir haben damals ja die DVD „Sündige Säuglinge Hinter Klostermauern“ raus gebracht – mit sieben Jahren Verspätung. Und da wurden wir dann während der Interviews dauernd gefragt, ob wir wieder spielen wollen. Ich bin dann mit MC Motherfucker zum Treptower Ehrenmahl in Berlin gegangen, wo sich die Band 1993 auch gegründet hatte. Da ahnte er wohl schon, was ihm bevorsteht. Wir haben dann darüber beratschlagt wieder auf Tour zu gehen, aber nicht ohne eine neue Platte aufzunehmen. Nach ein paar Monaten Bedenkzeit haben wir uns dann wieder getroffen und hatten in einer Woche 12 Songs zusammen.
SaZ: Was unterscheidet die neue Terrorgruppe von der alten?
Johnny: Wir haben mittlerweile ja eine Orgel am Start. Das ist für uns beide Gitarristen ganz gut, weil wir nicht mehr so viel Melodien spielen müssen. Wir dürfen uns auch mal zurücknehmen und zurücklehnen. Musikalisch ist die Terrorgruppe vermutlich etwas moderner geworden, nicht mehr ganz so 90s-Skate-Punk.
SaZ: Aber damit seid ihr das erste mal in die Charts gekommen. Wie fühlt sich das denn an?
Johnny: Das ist lustig. Vor “Tiergarten” hatten wir über 250.000 Tonträger verkauft, kamen aber nie in die Charts. Und jetzt sind wir da drin. Das zeigt aber vor allem auch, wie sich auch der Musikmarkt verändert hat. Verkleinert. Man hört das immer auf so Messen: Der gesamte deutsche Tonträgermarkt ist wohl nur halb so groß wie der gesamtdeutsche Weihnachtsbaummarkt. Die dicken Deutschen geben im Jahr doppelt so viel für Weihnachtsbäume aus wie für Platten.
SaZ: Ab an die Weihnachtsbäume.
Johnny: Ja, vielleicht solltet ihr mehr Interviews mit Weihnachtsbaumverkäufern machen.
SaZ: Gute Idee, aber kommen wir zu anderen Persönlichkeiten. In der Vergangenheit habt ihr ja Angela Merkel, der gesamten CSU und Ernst August Ständchen gewidmet. Wenn man sich die jetzige politische Situation ansieht. Wem würdet ihr wieder die Ehre erweisen wollen?
Johnny: Die Vorabsingle beschäftigte sich ja mit Sarrazin und Helmut Kohl. Sonst noch jemand? Nö. Doch – eins über die kotzenden Teenager auf der Warschauer Brücke. Aber wir wollten eher so allgemein gültige Texte machen und nicht so tagespolitisch.
SaZ: Aber doch tauchen im neuen Album eindeutige Hinweise auf AfD und PEGIDA auf. Kann denn Punk in der derzeitigen Situation nicht politisch sein?
Johnny: Wir versuchen immer zu trennen zwischen “politisch” und “sozialkritisch”. Eine politische Band muss Lösungswege aufzeigen, sozialkritische Bands können meckern. Wir sind eher so eine Meckercombo. Mit dem Namen “Terrorgruppe” sind wir aber wohl auch nicht so sehr dazu geeignet, Handlungsanweisungen für die Gesellschaft zu geben. In erster Linie sind wir eine Punkband, die gern den Finger in die Wunde legt. 2013 – zu der Zeit als wir über unsere Rückkehr nachdachten, konnten wir das mit PEGIDA und so ja alles noch garnicht nicht ahnen. Aber vielleicht war es einfach an der Zeit, dass wir uns wiedergründen mussten. 2015 war politisch schon eines der schlimmsten Jahre, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Nur 1983 war schlimmer.
SaZ: In „Neulich Nacht“, einem älteren Song, thematisiert ihr Homosexualität, „Küsse töten“ vom neuen Album greift es in einer ähnlichen Weise wieder auf. Ist Homosexualität im Punk angekommen oder spürt ihr Homophobie oder Mackertum?
Johnny: 1998 war das noch ein großes Thema. In Berlin ist das heute viel besser. Homophobie ist da echt verpönt. Sogar im Testosteron-Hardcore. Ich weiß nicht, wie das in anderen Städten ist, aber in Berlin gibt es sowas nicht mehr. Es haben sich ja dazu auch viele Bands geäußert. Vielleicht ist Berlin auch einfach eine Insel der Glückseligkeit in einem Meer voller Scheiße.
SaZ: Da hat sich also was getan. Aber du hast mal in einem Interview gesagt, Punk sei konservativ. Die Leute tragen die selben Aufnäher wie vor zehn Jahren. Viel neues kommt nicht. Wo geht dann der ganze Protest hin?
Johnny: Elektro-Punk und Hip Hop sind da schon aktueller, das stimmt. Es hängt aber eher daran, wie man mit den Kids spricht. Kraftklub kriegen das ganz gut hin, KIZ sowieso.
SaZ: Das ist aber alles kein Punk. Wie sieht es also aus mit „Punk´s not dead?“
Johnny: Punk wird immer überleben. Aber stimmt schon, die Punkszene schwimmt ein bisschen sehr in ihrer eigenen Soße. Viele Punkbands schaffen es nicht mehr, coole Texte zu schreiben, das ist dann oft so’ne pathetische Hippiescheiße.
SaZ: Thema Aufwertung und Gentrifizierung. Ihr habt euch als Band ja in einem Pfandhaus in Kreuzberg kennengelernt, als ihr gerade eure Instrumente beleihen lassen wolltet. Wisst ihr, ob es heute immer noch als potentielles Startloch für Musiker_innen zur Verfügung steht oder in der Zwischenzeit durch Verdrängungsprozesse weichen musste?
Johnny: Das gibt es schon lange nicht mehr. Ich glaube da ist jetzt ein vegetarischer Burgerladen drin.
SaZ: Recht auf Stadt- und Wohnraum-Initiativen sind gerade ziemlich angesagt und auf eurem neuen Album wird in Songs wie „Der Maximilian“ das Thema Gentrifizierung ebenfalls angeschnitten, allerdings, wie wir finden, sehr personifiziert.
Johnny: Ja, aber das muss man auch aus einer Punkrock-Perspektive verstehen. Punk funktioniert halt mit acht Zeilen und nicht mit einer großen Erklärung, warum welches Kapital wie angelegt wird und wie das Weltsystem Kapitalismus funktioniert. Das Lied erklärt natürlich nicht Gentrifizierung, aber wir sind immerhin eine Band, die sich dazu mal geäußert hat. Wenn man die ganze riesengroße Krise des Kapitalismus erklären will – und Gentrifizierung ist ja ein Bestandteil dieser riesengroßen Krise – braucht man natürlich mehr als ein Punklied.
SaZ: Da stimmt schon, aber was würdest du dir wünschen, wie Leute, die das Lied hören, dann politisch denken? Wenn es nur gegen den einen Investor geht, ändert das ja nichts an den Strukturen. Dann kommt halt der oder die Nächste.
Johnny: Klar, aber irgendwie muss man ja schon auch denken: Die oder wir. Warum bereichern sich einige auf Kosten von vielen?
SaZ: Aber wie wird man da aktiv dagegen? Ihr habt mal gesagt: Wir wollen alle Halbwüchsigen gegen Eltern, Staat, Kirche und Gesellschaft aufhetzen. Wollt ihr das immer noch?
Johnny: Beim Thema Wohnen sind Genossenschaften bestimmt eine ganz gute Idee, aber auch bei allen anderen Themen eigentlich. Ihr habt schon Recht, man muss da an die Strukturen ran. Und das wäre dann Wohnungen kommunalisieren, mehr Genossenschaften und so. Wohnungseigentum enteignen. Das wäre doch was.
SaZ: Das wäre auf jeden Fall was. Zum Abschluss würden wir gerne kurz eine imaginäre Glaskugel aufstellen. Das Thema unserer nächsten Ausgabe wird „Utopie“ sein. Wie könnte denn das schöne Leben aussehen, wenn die Terrorgruppe bestimmen könnte?
Johnny: Na ja, es gibt ja so einen Haufen Einsparungen in Bildung und die “Aufklärung” als solche, das alle Menschen mehr und mehr verblöden oder bloss noch auf das Funktionieren am sogenannten “Markt” abgerichtet werden, die Menschen sollen nur noch funktionieren. Das hat alles ökonomische Gründe. Eine Utopie könnte nur ohne dieses ganze ökonomische System, diese neoliberale Scheiße, funktionieren. Ich sehe es aber momentan nicht, dass sich da was tut. Der Kapitalismus und das sogenannte “ökonomische Denken” wird ja eigentlich immer heftiger und verfestigt sich immer mehr. Und damit geht auch das Bewusstsein verloren, was uns eigentlich als Menschen ausmacht, damit wir alle uns nicht an jeder Ecke sofort auf die Schnauze hauen, Fressen und Gefressen werden… Ich weiß es nicht. Utopie geht wohl nur mit gleichzeitiger weltweiter Vergesellschaftung von Produktionsmitteln und Häusern. Oder was meint ihr?
SaZ: Klingt nicht schlecht.
Johnny: Und wegen der gesamte Kommunikation und Vernetzung geht das ja alles nicht mehr in einem einzelnen Land alleine, abgekoppelt von Rest der Welt. Es müsste schon global passieren. Aber irgendwie sehe ich eher schwarz. Für die Mehrheit der Menschen gehen so ziemlich alle Glücksversprechungen des Kapitalismus nicht auf und anstatt etwas dran zu ändern und aufzubegehren, flüchten sich die Menschen in solche Scheinidentitäten: Deutsch-Sein, National-Sein. So´n Dreck halt. Arme Schweine treten auf noch ärmere und die Allerärmsten. Hm, jetzt kann ich gar nichts Positives zum Ende des Interviews sagen. Das wäre ja eigentlich schon geiler.
SaZ: Hast du noch eine Idee?
Johnny: Nun ja, vielleicht gibt es ja mal eine technische Erneuerung, die alles auf den Kopf wirft, damit wir zum Beispiel nie wieder Autos oder sowas brauchen. Oder eine neue Energie-Technologie, die den ganzen bisherigen Status Quo umstürzt. Oder eine Erneuerung durch eine Massenbewegung von Leuten, die sich einfach nur anders ernähren … nicht nur wegen Tierschutz, auch aus Klimagründen oder aus Gründen der globalen Gerechtigkeit, weil Elend und Zerstörung auch mit der Art und Weise von Nahrungsmittelproduktion zusammenhängen. Da sehe ich was. Aber ich hab, wie ihr seht, kein geschlossenes Weltbild, ich bin nur ein Punkrocker. Ich arbeite dran.
SaZ: Wir auch, in der neuen Ausgabe.
Johnny: Cool … und 2016 wird vielleicht ja auch alles besser. Das Jahr des Affen. Die Vorzeichen stehen gut.
SaZ: Das war doch ein positives Ende. Vielen Dank.