Für SaZ #11 holten wir O-Töne von Menschen ein, die sich weltweit rechten Bewegungen widersetzen.
Partho aus West-Bengalen, der bei Sanhati aktiv ist:
Der Hindu-Nationalismus ist eine rechte Bewegung, deren Ziel ein einheitlich hinduistischer Nationalstaat ist. Die organisatorische Stärke dahinter liegt in der radikal-hinduistischen Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), der Nationalen Freiwilligenorganisation, die auf Strömungen aus den 1920ern zurückgeht und deren Gründer offen ihre Bewunderung für Hitler zum Ausdruck brachten.
Heute behauptet das RSS, die größte nichtstaatliche Organisation der Welt zu sein, die unter anderem die Bharatiya Janata Party (BJP), die aktuelle neoliberale Regierungspartei Indiens, hervorgebracht hat. Zu ihrer politischen Taktik gehört weit verbreitete Propaganda gegen Muslime und Kommunist_innen. Beide werden als antinational bezeichnet.
Der Kampf dagegen hat mehrere Ebenen. Zum einen geht es darum, der herrschenden Propaganda inhaltlich entgegenzuwirken. Zum anderen gibt es den sehr schwierigen Kampf um die Straße. Die Linke ist dabei aber derzeit nicht in der Lage, dem Nationalismus viel entgegenzuwirken und Widerstand zu organisieren. Daher kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Angriffen und Pogromen gegen Muslime und Christen.
Ryan von der Gruppe Plan C aus Manchester (Großbritannien):
Trotz beständiger Aktivitäten von Nazis und der British National Party sind in Manchester alte Antifastrukturen zunehmend verschwunden. Mobilisierungen fanden stattdessen durch Einzelne per Facebook statt – meist schlecht geplant, mit geringer Beteiligung und hohem Gefahrenpotential für die Teilnehmenden. Wir haben deswegen mit anderen linksradikalen Gruppen und Fußballfans eine lokale Koordinationsstruktur gegründet, um in unserer Region zu mobilisieren. Wir konzentrieren uns auf große rechte Mobilisierungen und Nazi-Aufmärsche und waren damit bisher sehr erfolgreich.
Kapele Mutachi, Pressesprecher der Congolese Solidarity Campaign aus Durban:
In der südafrikanischen Gesellschaft gibt es zunehmend Rassismus gegenüber Geflüchteten, Migrant_innen und allen, die irgendwie als “ausländisch” wahrgenommen werden. Die Congolese Solidarity Campaign will sich dem entgegensetzen: Die Kampagne ist eine Graswurzel-Bewegung, die von nach Südafrika Geflüchteten gegründet wurde. Wir kämpfen mit Demonstrationen, Seminaren und Foren für die Rechte von Geflüchteten aus dem Kongo, der durch den konstanten Zugriff des internationalen Kapitals zu einem Ort des Schreckens wurde. Anfang 2015 erlebten wir eine Welle von fremdenfeindlichen Angriffen gegen Menschen aus anderen afrikanischen Ländern, die den Südafrikaner_innen die Arbeitsplätze und grundsätzliche Versorgung wegnehmen würden. Es kam zu massiver Zerstörung und sogar Morden. Dagegen organisierten wir eine Demonstration, die durch Wasserwerfer und Tränengas der Polizei aufgehalten wurde. Wir kämpfen gegen diese staatliche Gewalt und den Rassismus und für die Demokratisierung aller Entscheidungsprozesse.
Ngoc Han, die sich in Hanoi (Vietnam) für Rechte von LGBTI-Menschen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Inter) einsetzt:
Auch wenn Homosexualität in Vietnam nicht offiziell verboten ist, ist sie in der konservativ und konfuzianisch geprägten Bevölkerungsmehrheit ein Verstoß gegen die gesellschaftliche Norm. Das zeigt sich u.a. in der Fremdbezeichnung für homosexuelle Männer: „bi bi đê“ hat den gleichen sprachlichen Ursprung wie der Begriff Pädophilie. Wie stark gesellschaftliche Vorurteile sind, zeigt sich aktuell in einem Cartoon, der vom Kultusministerium zensiert wurde, da das dort gezeigte homosexuelle Paar, Jugendliche „vergiften würde“ und „nutzlos und obszön“ sei. Sie dagegen zu engagieren, ist in einem Einparteienstaat für uns schon sehr viel.
Eine Plattform, auf der verschiedene Organisationen zusammenarbeiten, ist die VietPride: Im August 2012 erlebte Vietnam seine erste Pride-Parade als Fahrrad-Korso durch die Hauptstadt. Wir unterstützten die Aktivist_innen bei der Demo und begleiteten das Event mit verschiedenen Veranstaltungen. Mittlerweile gibt es jährlich in nahezu allen Städten wachsende Umzüge, die die Sichtbarkeit der Community erhöhen. Entscheidend ist es, das Thema überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen.
Zudem führten wir im August 2015 ein Interview mit der Antifa (AFA) Novi Sad (Serbien).
SaZ: Wie ist die Situation in Novi Sad oder auch generell in Serbien, was rechte, nationalistische und reaktionäre Bewegungen betrifft? Sind diese sehr sichtbar?
AFA: Seit 1989 bis heute sind die führenden Parteien in Serbien mehr oder weniger nationalistisch. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war Serbien in nationalistische und irgendwie imperialistische Kriege auf dem Gebiet ex-Jugoslawiens verwickelt. Das wirkte sich auf die gesamte serbische Gesellschaft aus und es ist daher kein Fehler zu sagen, dass Nationalismus die offizielle Ideologie in Serbien ist und eines der Kernelemente des politischen “Mainstream”. Nationalismus und konservatives Gedankengut durchdringen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und, was noch schlimmer ist, alle Bereiche der Sozialisierung: Familie, Bildungswesen und Medien. Die Konsequenz ist eine junge Generation, die in der Mehrheit für rechte und reaktionäre Ideen steht.
SaZ: Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Übergriffe, die durch Vorurteile motiviert sind, also beispielsweise einen rassistischen, nationalistischen oder homophoben Hintergrund haben?
AFA: Wenn es ein Vorfall ist, bei dem Nazi-Symbolik wie die Swastika oder ähnliches sichtbar wird, wird die Öffentlichkeit ihn missbilligen. Aber ist es ein hate crime aufgrund einer bestimmten ethnischen, religiösen oder sexuellen Zugehörigkeit und wird dieser durch „normale“ Personen begangen, sind die Meinungen darüber geteilt. Zum Beispiel wird Hass gegenüber Albaner*innen, Kroat*innen oder Homosexuellen in der serbischen Gesellschaft als normal betrachtet. Natürlich würde die Mehrheit dieser Menschen sich niemals als faschistisch bezeichnen – sie würden sich wahrscheinlich sogar angegriffen fühlen, würde man sie so nennen.
SaZ: Wie reagiert ihr mit eurer Gruppe auf solche Vorfälle und welche konkreten Aktionen macht ihr?
AFA: Unsere Reaktionen auf faschistische und nationalistische Übergriffe sind durch die Art des Vorfalls und unsere Handlungsmöglichkeiten bestimmt. Wir versuchen auf ihre Propaganda mit Kontra-Propaganda zu reagieren und auf ihre Gewalt mit Gegengewalt. Ein Beispiel: In Novi Sad wurde eine große Welle rechter Gewalt zuletzt im Oktober 2014 sichtbar, nach einem Fußballspiel zwischen Serbien und Albanien. Bäckereien, die traditionell albanische Geschäfte sind, wurden in großer Zahl zerstört. Als Reaktion auf diese sinnlose Gewalt organisierten wir mit anderen Organisationen eine Demonstration und veröffentlichten einen Aufruf, um Solidarität mit unseren albanischen Nachbar*innen zu zeigen. An diesem Tag gingen trotz des Regens etwa 2500 Menschen auf die Straße, was eine solide Zahl für Novi Sad ist. Auf diese Weise konnten wir Druck auf die lokale Regierung ausüben, die nach der Demonstration den Polizeischutz für albanische Einrichtungen verstärkte.
SaZ: Wenn ihr öffentliche Aktionen macht, erreicht ihr damit eine große Zahl an Menschen? Bekommt ihr Feedback oder Unterstützung?
AFA: Das ist oft schwer einzuschätzen. Aufgrund häufiger Repressionen durch die Polizei und eine ablehnende Haltung der Medien sind wir eine sehr geschlossene Gruppe. Dennoch bringen einige unserer öffentlichen Aktionen auch eine große Zahl an Menschen zusammen und sind in diesem Sinne erfolgreich. Doch da es selten zu öffentlichen Aktionen der Nazis kommt, gibt es auch nur wenige Aktionen unsererseits.
SaZ: Gibt es etwas, was euch in Novi Sad gerade besonders beschäftigt?
AFA: Zurzeit liegt unserer Hauptfokus auf Migrant*innen aus dem Mittleren Osten, welche täglich in einer großen Zahl nach Serbien kommen, um weiter nach Deutschland oder in andere EU-Länder zu reisen. Wir ihr wisst, baut die EU zurzeit einen Zaun an die Grenze zu Serbien, damit es für diese Menschen nicht mehr möglich ist, in die EU-Länder einzureisen. Daher haben wir die Tragik dieser Menschen jeden Tag vor Augen. Wir treffen auf verzweifelte, hungrige und erschöpfte Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, für die wir in unserem besetzten Zentrum “Društveni centar” Wasser, Nahrungsmittel und Hygieneprodukte sammeln. Außerdem beobachten wir die Reaktionen der lokalen Nazi-Szene, die sich bisher auf einige Graffiti gegen Geflüchtete beschränken.