Im Januar 2013 verkündete der ehemalige Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes und NPD-Funktionär Kai-Uwe Trinkaus, er habe 2007 von einem Verfassungsschützler eine Liste mit Namen von linken Aktivist_innen erhalten. Dazu meinte der Beamte: „Ein paar hinter die Ohren hat noch keinem geschadet“. Die Landesregierung hat keine juristischen Schritte gegen diese Behauptung eingeleitet. Ist es also wahr? Auch wenn hier ein Nazi nur groß tun wollte und die Sache nicht genau so stimmt, steht doch eins fest: Die Story könnte, schaut man sich die Geschichte des deutschen Inlandsgeheimdienst namens Verfassungsschutz an, ohne Weiteres so gewesen sein. Denn all das Gerede vom „Versagen“ der Staatsschutzbehörden verhindert die klare Sicht darauf, dass Verfassungsschutz & Co. sehr effektiv arbeiten, wenn sie das denn wollen. Und gegen Linke wollten sie – nicht zufällig – immer.
Leute aus der linken Szene werden recht häufig angequatscht, ob sie nicht für den Verfassungsschutz spitzeln wollen. Und das kann ganz normalen Umweltaktivist_innen und AStA-Aktiven passieren. Trotzdem werden Geheimdienste oft nicht ernst genommen und Geheimdienstmitarbeiter_ innen als „Schlapphüte“ oder „Trottel vom Amt“ verlacht. Natürlich ist es auch lustig, wenn ein Polizei-Spitzel sich, wie in Heidelberg passiert, wie ein berühmter Kommissar nennt (Simon Brenner wie in den Wolf Haas-Krimis, Stephan Derrick wäre auch nicht schlecht gewesen) und dann fett im Urlaub vom eigenen ach-so-gefährlichen Job rumprahlt, so dass er auf fliegt.Vom Verfassungsschutzpräsidenten Thüringens ist bekannt, dass er mit seinem Fahrrad durch die Gänge fuhr. Lustig. Doch deswegen sind diese Behörden noch lange nicht ungefährlich. Es ist eben noch keine Ewigkeit her, dass es Bewerber_innen für das Lehramt zum Verhängnis wurde, an öffentlichen linken Theorievorträgen teilgenommen zu haben. Oder dass der Verfassungsschutz auf dem Arbeitsplatz von Leuten, die in einem Lesekreis Marx gelesen haben, vorbeischauten und die Chef_in „informierten“, wen sie da so beschäftigten. So geschehen noch Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Nichts gegen die Situation in den 1960er, als allein das Empfangen von kommunistischer Literatur per Post einen ins Gefängnis bringen konnte (kein Scherz!). Oder während der Berufsverbote, als 3,5 Millionen Personen durchleuchtet wurden und 10.000 ihre Jobs verloren. Heute kann man dagegen wahrscheinlich ein Seminar besuchen, ohne dass man sich dadurch die eigene Zukunft erbaut. Aber das dürfte schlicht daran liegen, dass die revolutionäre Linke gerade ziemlich schwach ist und der Staat nicht annimmt, dass da gerade Gefahr für seine Herrschaft lauert.
Linke, die Verschwörungstheorien zu Recht kritisieren, sind bei der Frage der Geheimdienste vorsichtig geworden. Es stimmt ja: Der Skandal ist der Normalbetrieb dieser Gesellschaft, nicht irgendetwas im Geheimen oder Verborgenen. Die Menschen in Griechenland verelenden zum Beispiel nicht aus geheimen Gründen, sondern deswegen, weil in Deutschland Politiker_ innen sagen, sie wollen Deutschland für den Weltmarkt fit machen. Alles kein Geheimnis. Und doch gibt es sie – Geheimdienste. Sie steuern nicht die Welt und stecken nicht hinter allem. Gerade wenn es in Deutschland um Kritik an CIA, NSA und Mossad geht, kann diese Sichtweise sogar schnell anti-amerikanisch und antisemitisch werden. Aber Verfassungsschutz & Co. sind eben auch nicht gerade schlecht ausgestattet und haben mit hohen Summen Nazistrukturen finanziert. Der Verfassungsschutz ist damit eindeutig die effektivere Anti-Antifa. Jede linke Bewegung in der Geschichte der BRD wurde gründlich überwacht und mit Spitzeln durchsetzt – in dieser Sache waren sich die Deutschen in ihren zwei Staaten schon immer ganz einig. Und auch die internationale Kooperation kommt voran: Der britische Spitzel Mark Kennedy observierte Aktivist_innen aus umweltpolitischen und globalisierungskritischen Bewegungen sieben Jahre lang überall in Europa und mit großer Unterstützung der jeweiligen Länder. Er führte jahrelange Beziehungen mit Aktivistinnen, was eigentlich verboten ist. Und das alles in Zeiten, in denen es für das linke Projekt, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes Wesen ist, nicht gerade gut aussieht. Wie wird es dann erst werden, wenn wieder mehr geht?
Für genau diese Fälle braucht es jetzt schon Wissen und Übung:
– Antifa-nt: „Kommuniziert per PGP! – Tipps für Emailverschlüsselung (GnuPG/PGP)“
– Rote Hilfe: „Anquatschversuch – was tun?“
– ALB Berlin: „Antifa…aber wie!? Tipps und Trix zur politischen Praxis“, Selbstverlag, 3 Euro.
– Auf den Seiten der Roten Hilfe Heidelberg (http://www.heidelberg.rote-hilfe.de/) gibt es alles zum Fall des Spitzels „Simon Brenner“, der die linke und linksliberale Szene in Heidelberg ausspionierte.
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Dieser Text ist aus unserer Broschüre „Geheimdienst gib Handy! Was wir am Verfassungsschutz kritisieren und warum der Geheimdienst nichts an der Schule zu suchen hat.“ Eine Übersicht aller Text findet ihr hier.