Interview mit Daniel Decker über seinen Blog Das kotzende Einhorn, seine Zusammenarbeit mit Torsun von Egotronic und sein neues Album Der Weiße Wal.
Saz: Hi Daniel, schön dass du Zeit hast für dieses Interview. Fangen wir an: Hast Du schon mal ein Pferd kotzen sehen?
Äh, nein.
Saz: Wie kam es denn dann zu Deinem Blog-Namen?
Ich war auf Twitter schon unter einem anderen Namen und irgendwer hat das dann mal gesagt und ich fand das so lustig, dass ich es aufgenommen habe. Ich hab mir dann die Domain gleich gesichert und mich irgendwann gefragt, was ich damit mache. Und so hab ich dann angefangen zu bloggen.
Saz: Wer ist das kotzende Einhorn?
Das bin ich, manchmal schreiben auch Freund_innen, aber grundsätzlich ist das mein Blog.
Saz: Und der Blog ist auch da, um dich auszukotzen?
Ja, aber das hat sich auch enorm gewandelt. Der Blog ist um einiges politischer als in den Anfangstagen und auch auf eine andere Art politisch. Am Anfang war das eine sehr verkürzte Kapitalismuskritik. Gar nicht mit einer großen Ideologie dahinter, sondern eher so naiv: ‚Die da oben – wir da unten‘.
Saz: Gab es da Kritik?
Ja, auf jeden Fall. Daraus resultierte auch Selbstkritik. Da hab ich mich gewandelt und mit vielen Themen intensiver beschäftigt – ich hoffe, das ist jetzt nicht mehr so oberflächlich.
Saz: Wie zum Beispiel?
Im Großen und Ganzen ist mein Blog ein Popkultur-Blog: viel Musik und Filme und auch klassische Nerd-Themen wie Star Wars und so. Aber eben auch Politik, die mich bewegt und umtreibt. Eine Zeit lang hab ich viel zu Homophobie gemacht. Momentan sind es eher Genderthemen. Ich hab da keine Agenda. Oft sind es auch tagesaktuelle Sachen oder lokale Dinge wie der Oranienplatz in Berlin.
Saz: Kommen Nerd-Themen bei Deinen Leser_innen denn auch an?
Das ist ja meine Theorie: Du hast einen Blog mit einem Einhorn, das Macarena tanzt. Das teilen dann alle und dadurch werden Leute auch auf politische Sachen aufmerksam gemacht und lesen sich z.B. Texte zu Feminismus hoffentlich auch durch.
Saz: Als Redaktion versuchen wir ja auch Popkultur und Politik zusammenzubringen. Klappt das bei Dir?
Ja, schon. Wobei die Gefahr ist, dass die Politik hinten runter fällt. Auf der anderen Seite will ich Stellvertreterpolitik vermeiden, von wegen Robin Hood, der Rächer der Enterbten. Das ist ja auch Quark. Aber Themen, die mich persönlich bewegen, zum Beispiel so was wie Sexismus in der Popkultur, greife ich auf.
Saz: Neben dem Blog machst Du ja verschiedene Projekte. Musik ist immer dabei. Wie kamst du zur Musik?
Ich hab früher unter dem Namen Pawnshop-Orchestra Musik gemacht. Das war Singer-Songwriter-Kram. Immer nur Liebesjammerei. Die letzte Platte erschien 2007, dann nix mehr – und jetzt eben das neue Album. Zwischenzeitlich war ja noch das Projekt mit Torsun.
Saz: Ah ja. Erzähl doch mal aus dem Nähkästchen. Wie ist das denn mit Torsun. Ist er wirklich so cool, wie er immer tut?
(lacht) Vor allem ist er ein unglaublich herzlicher Mensch. Wir haben uns bei einem Interview kennengelernt, uns dann aber stattdessen verquatscht und Musik gehört. Daraus ist echt eine Freundschaft entstanden. Irgendwann meinte er, dass er eine Nummer geschrieben hat, die aber nicht zu Egotronic passt und dann haben wir das Projekt gestartet. Das kam dann auch ganz gut an und wir werden auf jeden Fall weiter zusammenarbeiten.
Saz: Jetzt zu Dir und Deiner Musik. Du hast gerade dein Album raus gebracht: Der weiße Wal. Du scheinst es mit Tieren zu haben.
Es ist eine Metapher, die mir ganz gut gefallen hat. Die Suche bei Moby Dick nach dem Wal, als eine Geschichte von jemandem, die oder der ein ganz klares Ziel vor Augen hat. Das hatte ich bei dem Album so gar nicht. Ich wusste gar nicht, wohin es gehen soll, war frustriert und orientierungslos und dann habe ich dieses Bild gefunden.
Saz: Du hast das Album als das „Manifest der schlechten Laune“ bezeichnet. Bist Du denn immer schlecht gelaunt? Was ist los?
Ja, eigentlich schon. Aber ich glaub, ich bin auch ein ganz witziger Typ. Vielleicht bin ich nicht die lebensbejahenste Person der Welt und ich hab das Album auch in so einer Phase geschrieben. Es ist ja auch mal okay, scheiße drauf zu sein!
Saz: Das hat sich bei mir beim Hören auch durchgezogen. So ein Gefühl von Entfremdung, Funktionieren-Müssen, nicht wissen, wo man hingehört und was man tun kann.
Genau darum geht’s! Im Stück Wir müssen zerstören geht es zum Beispiel um Lohnarbeit und dass das ja nicht alles sein kann.
Saz: Also ist der Kapitalismus schuld am Grumpy-Sein?
Das ist eine interessante Frage. Für vieles gilt auf jeden Fall ja!
Saz: Viele Deiner Texte haben etwas parolenhaftes. Zum Beispiel: „Wir wollen niemanden stürzen, nur was verändern“ Wie geht das denn?
(lacht) Das ist die einzige Textstelle, die ich ändern würde.
Saz: Hervorragend!
Würde ich heute nicht mehr so schreiben, eher das Gegenteil: „Wir wollen alles stürzen und alles ändern“. Das konnte ich auf der Platte nicht mehr ändern, aber live werde ich es wohl so singen.
Saz: Ist die Platte denn politischer Aktionismus?
Jein. Ich finde man kann sie als politische Platte hören, aber eben auch als persönliche, Ich-bezogene Befindlichkeitsplatte. Beide Lesarten finde ich okay.
Saz: Ich hab auch eher letzteres im Album gehört, wenn Du zum Beispiel singst: „Freiräume für uns allein“. Aber reicht das? Brauchen wir nicht Freiräume für alle?
Das schließt sich nicht aus. Für den Anfang ist es doch gut, das eigene Umfeld cool zu gestalten. Egal ob im AJZ oder im Freundeskreis. Da einen Ort zu haben, wo man keine Angst haben muss, so zu sein wie man ist.
Saz: Die Sterne wollten „keine Parolen“. Du meinst: „Wir brauchen mehr Sätze“. Finden wir als Zeitung natürlich gut. Aber geht’s um Sätze im lyrischen Sinn oder eher um Sätze für riots?
Es ist so, dass ich gerne Lieder mit einer Aussage habe und nicht so doofe Liebeslieder, die alle schreiben könnten. So was wie Video Games von Lana del Ray: „Is that true? // They say the world was buildt for two // Only worth living if somebody is loving you“. Da denkt man sich doch: Kotz die Wand an! Und dann wird das auch noch als Romantik verklärt. Vor allem auch lediglich auf eine romantische Zweierbeziehung.
Saz: Viele Kritiken vergleichen Dich mit Bands wie Blumfeld, Tocotronic oder den Sternen. Lob oder Bürde?
Ich hör die ja auch. Das schmeichelt schon, solange halt noch genügend Eigenanteil dabei ist und man nicht nur ein Abklatsch ist. Es gibt Schlimmeres, als mit Tocotronic verglichen zu werden.
Saz: Na dann: Torsun oder Dirk von Lowtzow?
(Lacht) Sorry, aber eindeutig Torsun!