Gemachte Geschlechter und Anglizismen

Liebe Leute,

ich habe Eure kleine Zeitung zum ersten Mal gelesen – als Beilage in der
taz und in der Jungle World.

Wirklich nett und hübsch gemacht. Vor allem finde ich toll, dass Ihr sie
auch auf anderen Sprachen – etwa auf Türkisch – verteilt oder verteilen
wollt.

Inhaltlich geht es mir ein Stückchen zu weit. Ich glaube, 99 Prozent der
Leser und Leserinnen stellen nicht in Frage, ob sie sich als Mann oder
Frau fühlen oder ob ihr Geschlecht „gemacht“ sei. Sie wollen,
hoffentlich, einfach nur lieben, wen sie wollen – und sie sollten
einfach tolerant sein gegenüber anderen Menschen, mit welchen sexuellen
Präferenzen auch immer.

Im Klartext: Ich weiß nicht, ob Ihr einem türkischen Gangmitglied oder
einem ostdeutschen Landmädel mit „gemachtem Geschlecht“ kommen könnt.
Mir würde schon reichen, wenn die weniger schwulenfeindlich wären.

Zum Schluss: Etwas anstrengend fand ich auch Eure vielen unnützen
Anglizismen, die in der Zeitung verstreut sind. Wie gesagt, es ist toll,
wenn Ihr die Zeitung übersetzt, aber es ist schöner, wenn man jeweils
bei einer Sprache bleibt – und so die sprachliche Vielfalt der Menschen
erhält. Ihr seid doch für Diversity, oder 😉 ?

Viel Erfolg und beste Grüße, R

Hallo R.,

danke für Dein Feedback und Dein Lob. Zu Deiner Kritik: Wir glauben auch nicht, dass sich 99% der Menschen Gedanken darüber machen, ob sie nun „gemachte“ Männer oder Frauen sind, sondern das erstmal ganz „natürlich“ finden. Genauso denken auch die meisten Menschen, dass Nationalstaaten „natürliche“ Einrichtungen sind, Menschen von sich aus auf Konkurrenz getrimmt sind, oder dass es sowas wie „Rassen“ gibt. Falsch finden wir das alles, und kritisieren all diese Einstellungen deswegen auch – auch wenn „die Massen“ unsere Meinung leider (noch) nicht teilen 😉
Und als Kurzziel finden wir es auch super, wenn Leute erstmal weniger homophob sind. Aber auch Homophobie lässt sich ja nicht trennen von krassen Männlichkeitsvorstellungen (Männer, die sich von anderen Männern penetrieren lassen, sind keine „richtigen“ Männer), oder normierten Ideen davon, wen denn nun „Frauen“ oder „Männer“ so lieben sollen. Das heisst: Diese Themen, und somit auch die Erkenntnis, dass Geschlecht nichts „Natürliches“ ist, sollten also auch angesprochen werden. Der Kampf gegen Homophobie im Alltag wird unseres Erachtens dadurch nicht geschwächt.

Dann: Was stört Dich denn konkret an den Anglizismen? Wir finden es auch nervig, wenn durch unnötige Anglizismen – z.B. in der Werbung – so eine Pseudo-Hipness vermittelt werden soll, und/oder Leute ausgeschlossen werden, die kein Englisch können. Wir finden Englisch manchmal aber eine nette Sprache, und denken, dass unsere Zielgruppe (v.a. Schüler_innen/Student_innen) alle mehr oder weniger Englisch sprechen können. Und bedeutet „Diversity“ dann nicht eben auch, mit Sprache(n) zu spielen, statt in so einer Sprach-Deutschtümelei zu verfallen?

Beste Grüße
Leia
für die SaZ