Porno

Hallo,

ein paar Anmerkungen zum Porno-Artikel:

1) „Also alles easy? Wir schauen einfach alternative Pornos? Sicherlich keine schlechte Idee, mit dem, was einen selbst anmacht, herumzuexperimentieren…“:

An sich alles richtig, aber damit es eben richtig und keine Ideologie wird, fehlt der Zusatz „probiert aus und wenn dabei rauskommt, dass euch die selben Sachen gefallen wie vorher, auch kein Problem, heißt macht euch kein schlechtes Gewissen, weil ihr nicht alternativ genug seid, weil euch vllt. „Standard-Pornos“ mehr anturnt als „Himbeerreich“ (oder was auch immer gerade als schick gilt). Sonst ist es wieder Konsumentenberatung/Trendsetting. Ist doch irgendwie falsch, wenn einerseits „draußen“ Leute sich schlechtes Gewissen machen, weil die nicht normal genug sind, und in der linken Szene machen die sich schlechtes Gewissen, weil die „zu normal“ sind. Es sollte auch kein Problem sein, wenn Leute, nachdem die sich auf „sichumschauen&zukenntnisnehmen was es so alles gibt“ feststellen, dass nun mal kein Bock auf queer, BDSM, poly-molly-was-auch-immer mit Maschinen und in Tierkostümen haben, sondern auf Kuschelsex in monogamen Zweierkiste. Die sind deswegen nicht reaktionärer und die anderen nicht fortschrittlicher!

2) „Oder ein generelles Unwohlsein durch zu viel Sexualisierung.“ –
Dazu wäre vllt. angebracht zu fragen, wie sowas zustande kommt, weil es ist ein wichtiges Stichwort der konservativen Kritik an der „sexuelle Revolution“ ist.

3) „Um derartiges möglichst zu vermeiden, spricht man sich am besten vorher ab und folgt dem SSC-Prinzip (Safe, Sane, Consensual), also Safer Sex, gut durchdacht und beruhend auf dem Einverständnis aller Teilnehmenden.“
Abgesehen vor recht eigentümlichen Lesart von SSC – „gut durchdacht“ ist sicher angebracht bei gewissen Praktiken, bei anderen eher unfreiwillig komisch. Wir reißen uns jetzt einfach gut durchdacht spontan Klamotten vom Leib – und wenn es ein Porno ist, dann muss auch der Denkprozess gezeigt werden. Heißt auch nicht, dass man dabei sich nix denkt, aber die größten Kritiker_Innen der Rationalisierung (oder gar des Rationalismus) werden beim Thema „Sexualität“ auf einmal hyperrationalistisch.

4) Das ist vllt. nicht so politisch wichtig, aber mal im Ernst: „Und dass alles immer so funktioniert wie im Porno, ohne Pannen, Peinlichkeiten, Lustverlieren, Klopausen, Müdewerden, Menstruationsblutflecken, Rumalbern, Dursthaben, eingeschlafene Körperteile und Krämpfe, das ist unserer Erfahrung nach auch nicht so.“
Nein, ist es nicht, aber bei euch lese ich so nen Anspruch an die Pornos: „die sollen so realistisch sein, wie das leben selber“ – wer will schon Klopausen und eingeschlafene Körperteile in einem Porno sehen (außer ein paar wirklich „Perversen“, denen es gegönnt sei)? Pornos zeigen ja gerade PHANTASIEN und sollen es ruhig machen, auch wenn da ein paar diskrete Hinweise auf das Realitätsprinzip nicht schaden würden. Phantasien können unterschiedlich sein, aber ich vermute irgendwie, dass Leute Pornos zum aufgeilen gucken und da ist es eher die Erwartung, dass man etwas „geschmückteres“ sehen will als pickelige Ärsche auf befleckten Matratzen in unaufgeräumten WG-Räumen – dann könnte man ja auch bei Nachbarn durchs Fenster spannen.

LG,
H.

Hallo H.,

danke für deinen Brief. Wir antworten einfach mal der Reihe nach:

zu Punkt 1: Finden wir sehr richtig und würden sagen, dass das nicht so stark vorkommt ist blöd – wir hatten vorher drüber geredet, wie das rüberkommt und wir fande das schwer einzubauen. Aber Dein Vorschlag ist eigentlich ganz leicht umsetzbar. Naja, zu spät, aber durch die Leserbrief-Sache können wirs ja noch klarstellen.

zu Punkt 2: Stimmt auch. Zwar ging mit der Liberalisierung der sexuellen Verhältnisse in den Jahren nach 1968ff auch eine Sexualisierung von Werbung etc. einher, aber dagegen die konservative Revolution zu fordern, die Sittlichkeit will, ist nicht, was wir wollen.

zu Punkt 3:
Wir verstehen, was Du damit sagen willst. Gleichzeitig gibt es nicht ohne Grund auch immer ziemlich viel blödes Verhalten von Leuten, die miteinander Sex haben – wo dann eben Grenzen nicht beachtet werden und Leute auch auf lange Zeit Traumatisierungen davon tragen. Dann doch lieber miteinander reden und nicht einfach nur Phantasien ausleben. Außerdem muss Konsens ja kein Widerspruch zum Klamottenvomleibreissen sein, kann ja auch non-verbal hergestellt werden bzw. bei Leuten, die schon viel über Sex kommuniziert haben, kann man klar haben was für Leute okay ist.

zu Punkt 4: Deine Beschreibung fanden wir sehr nett! Naja, die Sache ist ja, ob man nicht Lust hat, mal an seinen Phantasien rumzuschrauben. Gerade weil auch diese ne Menge Gewalt in die Welt
bringen. Aber klar, das soll keine Gedankenpolizei heraufbeschwören, nur ein bißchen Offenheit, die eigenen Phantasien als sich im Fluß befindende Zwischenzustände und nicht als in Stein gemeißelt zu betrachten und Spaß zu entwickeln, neue zu entdecken. Und es mag zwar stimmen, dass Porno-Bilder auch auf Phantasien von Leuten reagieren, die Bock auf was anderes als Realität haben. Aber sie machen eben auch mehr, sie produzieren auch Realität! Und sorgen dann wiederum dafür, dass Leute Komplexe kriegen, weil ihr Sex und ihre Körper nicht so sind. Diese ganzen normierten und
glatten Bilder haben also auch was Gewaltförmiges, da kann man sich noch so häufig sagen, dass sie nicht der Wirklichkeit entsprechend. Und dem gegenüber kann es dann auch cool, erleichternd und inspirierend sein, was anders vorgesetzt zu bekommen.

Soweit die besten Grüße
die SaZ-Crew