hey and hello, zuckerstrasse!
habe eure („unsere“) zeitschrift, nr.7, zum ersten mal gelesen & finde die ansätze und grundidee sehr ansprechend & überzeugend – was die überwindung des kapital-ist-mus betrifft. gerne würde ich, soweit vorhanden, vorherige ausgaben lesen und – wenn gewünscht – einige examplare hier bei uns in der region in entsprechenden „locations“ auslegen. vielleicht bewegt es was. da ich nicht weiß, welche bücher ihr bisher bereits empfohlen habt, weise ich ausdrücklich auf „das öko-manifest“ von derrick jensen hin. das geht voll in diese richtung. keine panik, es geht darin nicht um grüne umweltpolitik oder wie man sein garten am grünsten beackert, sondern genau um dieses thema – wenn nicht sogar darüber hinaus. er will gleich die industrielle zivilisation überwunden sehen – bis in die letzte konsequenz. sehr einfach und anschaulich beschrieben. es hat mich sehr beeindruckt und nachhall-tig beeinflusst. noch nie habe ich solch radikale (im sinne von konsequent und kompromislos) these gelesen und ich „bewundere“ den mut des mannes seine vorstellungen so klar und deutlich zu formulieren. man wundert sich, dass diese buch in der brd nicht verboten ist, denn es verlangt die überwindung der kompletten machtstrukturen und die ebenso konsequente zurückdrängung (bis zum nullpunkt) jegliches großkapitals, da diese „institutionen“ an der unaufhaltsamen vernichtung und zerstörung der erde arbeiten. rein aus machterhalt und gewinnstreben. wenn man sich die entwicklung auf der erde insgesamt betrachtet, was alles schon zerstört wurde und was demnächst weiterhin zerstört werden soll/muss, um deren machtgefüge zu erhalten, kann es sein, dass der mann sowas von recht hat, dass seine gedanken, argumente und überlegungen neue dimensionen an notwendigkeiten erfordern. gerne würde ich mehr erfahren über eure arbeit und vernetzungsmöglichkeiten. bin gerade etwas in eile, wollte aber mein kompliment für strassen aus zucker noch schnell loswerden.
in diesem sinne sinnigst und sonnigst…. krautskitsch
Hallo Krautskitsch,
erstmal herzlichen Dank für deine Mail, das Lob und den Buchtipp. Einige von uns, ich zum Beispiel, kennen Derrick Jensen sogar. Ehrlich gesagt: Ich fand den vor einer Weile mal
total super, und habe zunehmend ein Unwohlsein. Ich nämlich den Eindruck, dass er das Problem vor allem in der „Zivilisation“ oder der „Technologie“ sieht, als wären das irgendwelche Kräfte, die einfach so existieren würden. Dabei erscheint es mir, dass er im Gegensatz dazu indigene Gesellschaften irgendwie glorifiziert, als würde da alles voll intakt und toll sein.
Mein Problem ist aber gar nicht mit Technologie – ich finde das Internet und Handys und moderne Medizin sehr praktisch. Jensen sagt, dass wir das alles aufgeben müssten, um die Umwelt nicht zu zerstören (so etwas indirekt in diesem Interview: http://truth-out.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=2102:you-cant-kill-a-planet-and-live-on-it-too).
Aber der Grund, warum Technologie dazu führt, dass die natürliche Umwelt in den Arsch geht, liegt ja nicht an der Technologie an sich, sondern darin, dass diese in ein Wirtschaftssystem – dem Kapitalismus eben – eingebettet ist, bei dem es darum geht, Profit zu machen. Das führt dazu, dass Umweltschutz für das Unternehmen nur (falsche) Kosten darstellen, d.h. ein Unternehmen darf – bei Strafe seines Untergangs – gar nicht besonders darauf achten, dass die Umwelt nicht geschädigt wird (mittlerweile legen sich Unternehmen ein grünes Mäntelchen um, aber das ist eben dann Teil der Bewerbungsstrategie). Und da spielt eben nicht nur das „Großkapital“ eine Rolle, sondern ganz grundlegend die Logik, dass es darum geht, Mehrwert zu produzieren. Das „Gewinnstreben“ ist also eins, was nicht mit bösen Absichten zu tun hat, sondern ein notwendiges ist: Ein Unternehmen muss in der Konkurrenz eben mitmachen, oder es geht unter.
Wenn wir von der SaZ von „Kommunismus“ reden, dann haben wir dabei auf jeden Fall eine Gesellschaft vor Augen, in der es weiter Elektrizität, und das Internet, und viel Technik in der Herstellung von Gütern gibt – damit mehr Zeit bleibt, schöne Dinge wie Kunst zu machen, zu spielen, sich mit Freund_innen zu treffen, am Strand rumzuhängen etc. Und dass dann so produziert wird, dass nicht der Profit im Blick steht, sondern erstmal auch die Frage, ob das Produkt „nachhaltig“ ist, d.h. keinen Menschen, Tiere und der Umwelt schadet, ist auch klar. Und eben WEIL unser Ziel die Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen ist, wollen wir uns das Leben auch einfacher machen. Soviel Arbeit wie man ohne Elektrizität hätte, wär echt nichts für mich. Bei Jensen habe ich das Gefühl, seine Vision einer anderen Welt ist eher eine in der Vergangenheit orientierte. Damit will ich ihn gar nicht ganz abtun – ich finde, der sagt auch viele
schlaue Sachen, und ist sensibel gegenüber Sexismus und Rassismus. Nur, wie gesagt, seine Analyse warum der Zustand der Welt so scheiße ist, da fehlt mir einiges.
Aber vielleicht kenne ich auch manche Seiten von ihm noch nicht, und gerne kannst Du mir/uns natürlich zurückschreiben 🙂
Soweit erstmal,
herzlichste Grüße
Padme für die SaZ
Hallo Krautskitsch
ich bin ebenfalls Teil des SaZ-Plenums und finde Padmes Antwort nicht falsch, würde aber eine weniger fortschrittsoptimistische Position vertreten:
Erstens denke ich, dass Technik immer auch das Potential der Zerstörung/Vernichtung eingeschrieben ist (sie also nicht erst mal nur „praktisch“ ist, sondern auch gefährlich, siehe z.B. den kommunistischen Atomkrafteuphemismus der 1950er Jahre. Dass da mit wenig Arbeit viel
Strom herauskommen könnte und das erst einmal sehr sehr praktisch klingt, liegt ja auf der Hand). Oder eben Gentechnik, die sich ja auch erst einmal verlockend und menschenfreundlich anhört. Das da aktuell Profitinteressen bei der Umsetzung maßgeblich sind ist klar, aber ich kann mir vorstellen, dass es auch im Kommunismus Befürworter_innen und Kritiker_innen geben wird. Ein Institut für Technikfolgeabschätzung wäre also weiterhin nicht schlecht.
Zweitens glaube ich, dass Technik und alle Produktionsmittel, die unter kapitalistischen Bedingungen entstanden sind, den Zwang zur Verwertbarkeit und damit auch die Zurichtung ihrer Nutzer_innen vollkommen eingeschrieben haben. Es gibt keine „neutrale“ Technik, die im Kapitalismus nur falsch genutzt wird. Technik, die unter kapitalistischen Bedingungen entstanden ist taugt auch unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht unbedingt zum schönen Leben.
Platt gesagt: Die VW-Produktionsstraße, das o2-Callcenter und das iphone voll mit bescheuerten Warenform-Apps werden auch im Kommunismus keine tolle Art der Produktion/ Freizeitbeschäftigung sein, sondern müssen (auch materiell) mit verändert werden. Denn das erste Ziel, wenn etwas Neues im Kapitalismus entwickelt wird ist es ja, Profit zu bringen. Das es das Leben angenehmer macht, ist höchstens Mittel zum Zweck, gut verkauft zu werden.
Sicherlich gibt es Dinge, die schon im Bestehenden darüber hinausweisen und nicht komplett in der bestehenden Scheiße aufgehen (dieses sogenannte Internet z.B.). Diese wurde aber auch meist schon im bewussten Widerspruch oder zumindest in kritischer Distanz dazu entwickelt. Und ich will auch gar nicht leugnen, dass nach Verwertungsaspekten entwickelte Technik mitunter „aus Versehen“ einen emanzipatorischen Überschuss haben (da zählt vermutlich das iphone dazu), der auch das schöne Leben greifbarer macht. Aber es ist erst einmal von vornherein nicht so, so die Technik neutral, unideologisch und unbeeindruckt von gesellschaftlichen Verhältnissen rumsteht, und nur auf die sinnvolle Nutzung wartet.
Eins der zentralen Probleme der realsozialistischen Versuche des 20. Jahrhunderts lag darin, dass die Menschen einfach in die alten Scheißfabriken geschickt wurden und sich alle wunderten, warum die Arbeit jetzt nicht auf einmal Spaß macht, obwohl die Arbeitenden jetzt doch ihre eigenen Produkte herstellen. Dass die Fabriken immer noch so aussahen wie vorher und das Arbeiten dort immer noch Stress bedeutete, hatte sicherlich wiederum viel damit zu tun, dass nach wie vor Waren produziert wurden, bzw. der sozialistische Dioxinrauch auch nicht die Atemwege befreite.
Technischer Fortschritt ist also immer beides: Möglichkeit zum schöneren Leben für alle und Möglichkeit des schlechteren Lebens für (fast) alle.
Liebe Grüße,
K. aus der SaZ-Crew