Occupy Wall Street

Guten Tag,

ich finde euren Gedankenansatz in SAZ #7 recht ambivalent, gar schon widersprüchlich, wenn man derart über die Occupy-Bewegung berichtet und auf der anderen Seite eine non-reformerische Umwälzung, sprich Revolution, fordert.
Sind es doch bei Occupy vor allem die 1 Prozent, die angeprangert werden (vielleicht auch einfach nur Sozialneid, vllt. auch ohne bzw. sehr begrenzter Kapitalismuskritik?); verschwörungstheoretische Ansätze sind bzw. waren ein Bestandteil dieser Bewegung.
Doch ist es nicht, wie ihr es ja auch sonst verlautbaren lasst, das kapitalistische System, welches die Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft entstehen lässt? Die kapitalistischen Verhältnisse müssen also überwunden werden, anstatt immer nur „von denen da oben“ zu sprechen. Doch die Occupy-Bewegung beschränkt ihr ganzes Dasein vor allem auf letzteres.
Zwar wurde über die Occupy-Bewegung auch kritisch berichtet, doch eine klare Abgrenzung hat mir gefehlt: Und diese fehlte mir noch nicht einmal in dem eigentlichen Artikel (S.10-11), sondern in dem Interview mit Tom Morello. Hier wurde für meinen Geschmack die Occupy-Bewegung kritiklos stehen gelassen. Natürlich wurde auch hier etwas relativiert, aber wie gesagt, die Abgrenzung (vor allem in dem Interview) hätte nicht nur deutlicher ausfallen können, sondern müssen.
Preisfrage: Warum dieses Interview ? …passt gar nicht in „Straßen aus Zucker“

Liebe Grüße, G.


Halli-hallo G,

erstmal herzlichen Dank für deine Mail. Sorry für die verspätete Antwort, hatten viel zu tun mit Verteilen und so, und dann muss natürlich immer alles mit allen im Plenum abgesprochen werden.

Viele Deiner Kritikpunkte an der Occupy-Bewegung teilen wir: Ja, da gibt es eklige Verschwörungstheoretiker_innen, da findet sich eine falsche („verkürzte“) Kapitalismuskritik, und eine personalisierte Hetze gegen „die da oben ist sicherlich auch nicht unser Ding. Deswegen haben wir einen kritischen Blick auf „Occupy“. Und dennoch denken wir, dass man diese weltweite Bewegung nicht über einen Kamm scheren kann, denn gerade in den USA hat Occupy Diskussionen in Gang getreten, die es so vorher nicht gab: Das erste Mal seit vielen Jahren gibt es wieder eine außerparlamentarische Bewegung, die klar links dominiert ist. Die grundlegende Kritik der ökonomischen Verhältnisse steht endlich mal wieder auf der Tagesordnung – häufig verkürzt, ressentimentgeladen, falsch. Aber doch eröffnet sich auch für radikalere Kritiker_innen dadurch eine Möglichkeit, und seit Ewigkeiten kann mal wieder über „Kapitalismus“ gesprochen werden, und das wird es auch.

Und neben vielen reformerischen Forderungen gibt es eben auch einen Teil der Bewegung, der sehr klar hat, dass es eine Revolution brauchen wird, um den Kapitalismus abzuschaffen. So wie bei den gegenwärtigen „Bloccupy“-Mobilisierungen neben vielen komischen Gruppen ja auch das
kommunistische „UmsGanze“-Bündnis dabei war. Und so sehen wir bei aller Kritik inhaltliche Anknüpfungspunkte und finden Occupy – zumindest in den USA – nicht uninteressant; und wollten mit Tom Morello u.a. darüber sprechen. Wie Du siehst, stellen wir ihm ja auch einige kritische
Nachfragen.

In der Hoffnung, dass das Deine Verwunderung etwas klären konnte und mit
herzlichen Grüßen

die SaZ-Crew