Wenn uns der Begriff Gewalt im Alltag begegnet, stellen wir uns darunter primär physische Gewalt vor: Gewalt, die sich auf körperlichen Ebene gegen Personen richtet, diese verletzt oder beschädigt. Dieser Gewaltbegriff taucht häufig in den Diskussionen um politische „militante“ Aktionen auf.
Uns geht es nicht darum, diese Form der Gewalt schönzureden oder uns davon zu distanzieren. Vielmehr wollen wir zeigen, dass Gewalt in unserem Alltag überall vorhanden ist, ohne dass wir diese immer als solche wahrnehmen und dass Gewalt sehr unterschiedliche Dimensionen hat. So hinterlässt psychische Gewalt im Gegensatz zu den meisten anderen Arten der Gewalt meist keine sichtbaren Spuren wie Schrammen, blaue Flecken oder andere Verletzungen. Trotzdem kann es einen ganz schön fertig machen, wenn zum Beispiel Mitschüler_innen einen dissen oder sonstwie verbal angreifen.
Tagtäglich erleben wir zudem sogenannte strukturelle Gewalt. Der Druck, die Regeln und Gesetze, die unser soziales Umfeld bestimmen, befolgen zu müssen, ist immens: Wenn wir uns nicht profilieren und brav mitspielen, droht uns Diskriminierung und manchmal auch der soziale Ausschluss. Vollkommen absurd ist, dass alle es irgendwie für selbstverständlich halten, immer dazu gezwungen zu sein, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Anders ausgedrückt: Die Unmöglichkeit sich den Gesetzen des Marktes zu entziehen, ist die reale Ohnmacht der bürgerlichen Gesellschaft. Auch das staatliche Gewaltmonopol wird von vielen als selbstverständlich hingenommen: Wenn Cops Menschen aus Deutschland abschieben, wird dies als „legitim“ hingenommen. Sobald sich Betroffene dagegen wehren, ist ihr Verhalten „illegitim“ und gilt plötzlich als gewalttätig. Eigentlich komisch, denn wer bedroht in dieser Situation wen?
„Links- und Rechtsextremisten“ wird häufig vorgeworfen, gleichermaßen „Gewalt“ anzuwenden. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass Motivationen und Gründe komplett unterschiedlich sind: Nazis greifen aus ihrem rassistischen Weltbild heraus „Schwächere“ wie Migrant_innen oder Obdachlose an und verletzen oder töten sie dabei. Angriffe der Linksradikalen sind meist symbolisch und richten sich gegen die Eckpfeiler unserer gewalttätigen Gesellschaftsordnung. Ohne dass wir das immer sinnvoll fänden: Die Mühe, hier zu differenzieren, sollte man sich schon machen!
Zum Weiterlesen:
Text der Antifaschistischen Aktion Berlin (r.i.p.) »Das Ende der Gewalt«