Ich Marx einfacher.

„Das Kapital“ für Einsteiger_innen
Michael Heinrichs „Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung“

Text v češtině

Dass Kapitalismus irgendwie blöde ist, haben die meisten Linken verstanden. Aber wenn einer Person genauer erklärt werden soll, wie dieser funktioniert und warum, dann wird die Sache schon komplizierter: Das hat was mit Geld zu tun, Arbeit spielt eine wichtige Rolle und Profit wird erwirtschaftet. Möglicherweise seien die Spekulant_innen und transnationalen Unternehmen an den Übeln des Kapitalismus schuld. Oder der Fehler liege im System. Manche behaupten, das Geld müsse einfach abgeschafft werden, weil das die Wurzel des Problems sei. Andere zeigen vor allem auf die Banken.

Alles nicht so einfach zu durchschauen, aber es hilft nichts: Bevor etwas kritisiert, verändert, abgeschafft werden soll, muss erstmal verstanden werden, wie es funktioniert und was genau daran auszusetzen ist. Grundlagentext dafür ist immer noch „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ von Karl Marx, erschienen zwischen 1867 und 1894 in drei Bänden. Aber die blauen Bücher mit ihren mehr als 2000 Seiten sind ziemlich harter Stoff und sie zu lesen dauert sicherlich länger als die Sommer- oder Semesterferien. Für alle, die erstmal reinschnuppern wollen, bietet sich ein vor einigen Jahren von Michael Heinrich verfasstes Buch an: „Kritik der politischen Ökonomie – Eine Einführung“. Es versucht, das „Kapital“ auf 230 Seiten zusammenzufassen – und das mit Erfolg.

Bildet Lese-Banden!
Einleitend verliert Heinrich ein paar allgemeine Worte zu Karl Marx, verschiedenen marxistischen Strömungen, beschreibt die Entstehungsgeschichte des Buches „Kapital“ und Marx‘ Methode, bevor er sich dann im 3. Kapitel auf die Begriffe „Gebrauchswert“, „Tauschwert“ und „Wert“ stürzt. Im Folgenden geht Heinrich relativ chronologisch durch die drei Bände und erklärt die Zusammenhänge von Ware, Arbeit und Geld. Er beschreibt, was eigentlich Kapital ist, wie dieser seltsame Mehrwert entsteht und welche Bedeutung Banken und Kredite haben. Immer wieder werden auch Zitate aus dem „Kapital“ eingefügt oder behandelt, sodass gleichzeitig ein erster Eindruck von diesem immerhin über 150 Jahre alten Werk und seiner Sprache entsteht. Manchmal schleicht sich auch die eine oder andere mathematische Formel rein. Aber viel häufiger sind Stellen, die deutlich machen, warum die beschriebenen Dinge auch in der Gegenwart noch wichtig und aktuell sind – denn trotz zahlreicher Veränderungen sind die grundlegenden Prinzipien im Kapitalismus immer noch die Gleichen.

Die letzten Kapitel beschäftigen sich gesondert mit den Themen Krise, dem Verhältnis von Staat und Kapital und dem Fetischismus in der gegenwärtigen Gesellschaft. In diesem Kapitel findet sich auch ein Abschnitt zum Verhältnis von Antisemitismus und (Anti-)Kapitalismus. Hier wird die Anschlussfähigkeit einer verkürzten, das heißt falschen Kapitalismuskritik, an antisemitische Stereotype plausibel aufzeigt. Da Karl Marx selber nie einen konkreten Entwurf für eine befreite Gesellschaft erstellt hat, fällt das letzte Kapitel „Kommunismus – Gesellschaft jenseits von Ware, Geld und Staat“ entsprechend kurz aus, wirft jedoch einige interessante Fragen auf.

Für Leute ohne Vorkenntnisse wird es alleine zu Hause mit dem Buch in der Hand vielleicht ab der zweiten Hälfte doch manchmal etwas verwirrend, wenn da mit – zuvor erklärten, aber immer noch ganz schön komplexen – Begriffen wie „Wertform“, „abstrakt menschlicher Arbeit“, „Fetischcharakter“ oder dem „tendenziellen Fall der Profitrate“ um sich geworfen wird. Aber hier kann es helfen, sich mit anderen zusammen zum Lesen zu treffen, nochmal gemeinsam die Abschnitte zu diskutieren und offene Fragen zu besprechen.

Marxst du noch mehr?
Wem das noch nicht genug ist: Letztes Jahr ist von Michael Heinrich im selben Verlag das Buch „Wie das Marxsche ‚Kapital‘ lesen?“ erschienen, eine „Leseanleitung und Kommentar zum Anfang des ‚Kapital‘“, welches Schritt für Schritt die ersten zwei Kapitel des ersten Bandes behandelt. Zudem beinhaltet es am Ende ein Glossar, das einige wiederkehrende und schwierige Begriffe erläutert. Eine Leseanleitung für die nächsten paar Kapitel wird bald erscheinen. Ergänzende Materialien finden sich auch auf der Seite www.das-kapital-lesen.de, auf der mehrere Kapital-Lesekurse der Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Materialien und weiterführende Texte zur Verfügung stellen (die Kurse werden auch 2019 angeboten), oder der Seite www.oekonomiekritik.de von Michael Heinrich.
Und nicht zuletzt: Wenn ihr lieber Diskussionen, gemeinsame Lesegruppen oder auch mal ein Referat oder Seminar mögt, als schon wieder ein Buch in der Hand zu haben, dann schreibt uns eine Email an saz@riseup.net. Vielleicht wissen wir, ob es in eurer Region Leute gibt, die dazu was machen, oder wir können gemeinsam mit Euch ein Wochenendseminar oder eine Veranstaltung organisieren!

Michael Heinrich: „Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung“, theorie.org, 14. Auflage 2018, 240 Seiten, 10 Euro, Klick!

Vom selben Autor ist 2018 auch eine (Werks-)Biographie über Karl Marx erschienen, lesenswert – siehe hier.

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