Straßen aus Zucker statt Deutschland

Erinnerst du dich noch an die „Du bist Deutschland!“-Kampagne oder die Zeitungsüberschriften „Weltmeister der Herzen“ und „Wir sind Papst!“?
Im Jahr 2009 wird sowas wieder verstärkt auf dich zukommen – in der Schule oder Universität, im Fernsehen und Radio, auf der Straße und im Internet. Dieses Jahr wird ein deutsches „Superjubiläumsjahr“, denn am 23. Mai wird der 60. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert und rund um den 9. November an den 20. Jahrestag des ‘Mauerfalls’ erinnert. Außerdem wird im Sommer der Varusschlacht vor 2000(!) Jahren als „Geburtsstunde der Deutschen“ gedacht und im September steht schließlich die Wahl des neuen Bundestages an. Das Ganze wird ein wahrer Marathon in dem Freiheit und Demokratie und vor allem das große „wir“ beschworen wird – zumindest für die, die zu diesem „wir“ gehören, also die, die „deutsch“ sind.

Rasse? Kultur? Demokratie?

Nach aktuellen Umfragen sind über 80% der „deutschen Jugendlichen“ stolz darauf „deutsch“ zu sein. Doch was ist das eigentlich – „deutsch“? Im Grunde nur eine Staatsangehörigkeit, die mit verschiedenen Rechten verbunden ist, die Menschen ohne deutschen Pass verwehrt bleiben. Doch wie kann man auf sowas stolz sein? Stolz kann man auf etwas sein, was man geleistet hat, aber doch nicht darauf zufällig an diesem Ort der Erde geboren worden zu sein und „deutsche“ Eltern zu haben. Oder haben „wir“ etwas geleistet? „Wir“ alle zusammen? Bist du stolz, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft ein Spiel gewinnt? Warum? Warst du auf dem Platz? Hast du was dazu beigetragen? Was verbindet dich damit? Diese Frage ist die Frage der Fragen, wenn es um Nationen geht. Wer gehört warum dazu und welchen Zweck hat das ganze eigentlich? Ein schlüssiges Argument für die Zugehörigkeit zu einer Nation gibt es nicht, dafür aber allerhand Mythen und „Begründungen“. Doch egal ob nun „Rasse“, Kultur, Sprache, Religion oder „gemeinsame Geschichte“ – die Nation begründet sich im Grunde immer mit sich selber. Das was da das Verbindende sein soll, wird immer erst dazu gemacht bzw. entsprechend zurecht gebogen.

Ich kann mich nicht erinnern, mich auf eure Regeln geeinigt zu haben!

Zumindest bei der Frage nach dem Zweck eines Nationalstaates gibt es in dieser kapitalistisch organisierten Welt aber ein ganz klare Antwort, die gerade schon angedeutet wurde: Wenn du z.B. die deutsche Staatsangehörigkeit hast kommst du in den „Genuss“ alles machen zu können und zu müssen, was das Grundgesetz (und die darauf aufbauende Gesetzgebung) vorgibt. Darauf z.B. sind die Deutschen auch total stolz – auf das Grundgesetz und die darin verankerte Freiheit. Doch was ist das für eine Freiheit? Keine_r außer „deinem“ Staat darf dich zu was zwingen, doch einem Zwang unterliegst du trotzdem. Wenn du nicht gerade ausreichend Kohle hast mußt du, nachdem du in der Schule dafür „fit“ gemacht wurdest, auf dem Arbeitsmarkt deine Arbeitskraft verkaufen. Denn in dieser Gesellschaft gehts nicht um unsere Bedürfnisse, sondern nur darum was du bezahlen kannst und was sich gut verkaufen läßt. Es geht darum aus Geld mehr Geld zu machen und sich gegen die anderen durchzusetzen. Der Unternehmer muß sich gegen sein Konkurrenten durchsetzen, wie du dich auch gegen die anderen durchsetzen mußt, wenns z.B. um einen der knapper werdenden Arbeitsplätze geht. Damit das nicht alles drunter und drüber geht und wieder die nackte Gewalt und das Recht des Stärkeren herrscht, fungiert der Staat als regelnde Instanz. Mit Gesetzen und Sozialleistungen, Konjunkturpaketen und Durchhalteparolen wird dafür gesorgt, das alles weitestgehend reibungslos verläuft. Der Staat regelt also auf nationaler Ebene die Konkurenz, steht aber auch selber mit den anderen Staaten in Konkurenz etwa um Absatzmärkte und Rohstoffe. Als Steuerstaat ist er außerdem auf den Erfolg der nationalen Unternehmen und auch seiner Bürger_innen angewiesen, genauso wie diese auf ihn angewiesen sind. So macht es natürlich einen entscheidenden Unterschied ob man in der reichen BRD oder etwa in einem der Länder aufwächst, in denen der gesellschaftliche Reichtum nichtmal dafür reicht Menschen vor dem Hungertod zu bewahren. Der einzige Grund sich mit „seinem“ Staat, „seiner“ Nation verbunden zu fühlen beruht also auf ohnehin absurden und menschenverachtenden Regeln – Lohnarbeit, Konkurrenz, Gewinnstreben,…

Etwas besseres als die Nation

Doch in diesem Jahr werden euch nicht nur eure Lehrer_innen und die hyperaktiven Moderator_innen bei Viva mit diesem ganzen Freiheit-Einheit-Deutschland-Quatsch nerven. Es gibt zahlreiche Jugendliche, die ihr Möglichstes geben werden, dagegen zu halten und der peinlichen Abfeierei eine Absage zu erteilen. So wird zum Beispiel im April die kostenlose Jugendzeitung „Straßen aus Zucker“ erscheinen und ausführlich kritisieren, was an Staat, Nation und Kapitalismus grundlegend falsch ist und was das eigentlich mit euch zu tun hat. Auf der dazugehörigen Internetseite könnt ihr nicht nur die Texte nachlesen, sondern auch weitere Infos zu den Themen erhalten und euch über aktuelle Termine informieren.

Ein Projekt der Antifaschistischen Jugendaktion Kreuzberg, der Antifaschistischen Schüler_innen Vernetzung und T.O.P-Berlin.